„Fahr doch zum PRET nach Ägypten, Nadine. Da kann man ganz viel über Austausch lernen“, meinte Estelle, die Bundeskoordinatorin des Forschungsaustausches für Medizinstudierende. „Ägypten? Warum nicht.“ Erst nach und nach sollte ich herausfinden, welch tolle Chance mir da zufällig über den Weg gelaufen ist.
PRET - das ist die Abkürzung für Professional and Research Exchange Training, also eine Fortbildung für alle, die Austausch lieben.
Seit einem Jahr bin ich nun aktives Mitglied der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland. Aktiv, weil jeder Medizinstudent automatisch Mitglied ist und durch die bvmd vertreten wird. Der Austausch mit anderen Ländern und ihren Kulturen war schon immer ein Thema, das mich sehr interessiert hat. In der bvmd habe ich nun endlich die perfekte Möglichkeit gefunden, mich voll und ganz meinem Fernweh hinzugeben.
Als ein Medizinstudierender wie jeder andere sind auch meine Semesterferien begrenzt und damit auch die Zeit, die ich während meines Studiums im Ausland verbringen werde. Doch mit Austauschen ist hier noch lange nicht Schluss! Warum nicht einfach diejenige sein, die alles koordiniert?
Und plötzlich stand ich da: in der ägyptischen Hotelanlage am Roten Meer und durchlief Training after Session after Small Working Group after Energizer. Ich war noch nie so überwältigt von den ganzen einmaligen Eindrücken und Bekanntschaften aus der ganzen Welt.
Karim kommt aus Ägypten und wir sind von Anfang an unzertrennlich. Auch wenn die anderen sich große Mühe geben, mich aufzunehmen und in die Gruppe zu integrieren, bleibt meine Beziehung zu Karim doch etwas Besonderes. Wir sitzen stundenlang zusammen und nach und nach erfahre ich immer mehr über die Arbeit im Austausch. Wie es sich anfühlt, wenn man etwas bewegt. Dass man Teil dieses riesigen Netzwerkes von Medizinstudierenden ist, dem größten Studentenverein der Welt. Dass man wie ein Familienmitglied aufgenommen wird und einen die Arbeit im Team zu einem anderen Menschen macht. Ich kann meine Vorfreude kaum aushalten: zurück in Deutschland möchte ich mich auf das Amt der Bundeskoordinatorin des Forschungsaustausches bewerben!
Zur Vorbereitung bespreche ich meine Bewerbung und präsentiere sie Karim gefühlt über 100 Mal. Auch wenn es zunächst ungewohnt ist, Deutsch zu sprechen und mich Karim auch inhaltlich nicht versteht, ist er doch der beste Zuhörer und baut mich immer wieder auf, wenn ich verzweifelt bin. Erst gegen Ende des Trainings in Ägypten finde ich heraus, mit wem ich es die ganze Zeit zu tun hatte: Karim ist der zukünftige Präsident der internationalen Medizinstudierendenvertretung.
Zurück in Deutschland präsentiere ich voller Aufregung meine Kandidatur. Ich stelle mir vor, dass nicht die Menge an Medizinstudierenden kritisch zu mir aufblickt, sondern dass mich Karim ein weiteres Mal aufbauend anlächelt. Es funktioniert: Ich werde gewählt und bin ab Oktober Teil des erweiterten Vorstandes der bvmd! Estelle fällt mir überschwänglich in die Arme und lacht. „Ich hab' doch gewusst, dass du die Richtige dafür bist. Das Austauschtraining hat dir ja scheinbar ganz schön den Kopf verdreht.“
Aber ich habe in Ägypten nicht nur Karim getroffen, sondern noch viel mehr über mich und meine Rolle als einer von ganz vielen Medizinstudierenden weltweit gelernt, die alle mehr wollen, als nur ihr Studium. Ich habe gelernt, über mich hinaus zu wachsen und mehr von mir selbst zu erwarten. Ich habe verstanden, dass man als Arzt mehr ist als ein Naturwissenschaftler. Worauf es am Ende tatsächlich ankommt, ist, dass man sich in seinen Patienten hineinversetzt und die Welt für einen Moment aus anderen Augen betrachtet. Das Austauschtraining hat mir Antworten auf Fragen gegeben, auf die ich vorher nie gekommen wäre.
Ich bin der festen Überzeugung, dass einem der Umgang mit anderen Kulturen die Möglichkeit gibt, in der Welt noch mehr zu entdecken, als man jemals hätte ahnen können. Ich komme zurück und habe alle diese Visionen und Sehnsüchte in mir und weiß, dass die Herausforderungen, die auf mich warten, mich zu einer besseren und erfüllteren Ärztin machen werden.