Im letzten Sommer war ich für sechs Wochen als Zahnärztin für die German Doctors auf den Philippinen im Einsatz. Jeden Tag fuhren wir mit der „Rolling Clinic“ in ein anderes Dorf irgendwo in den Bergen. Weit, weit weg von jeglicher Zivilisation und ich fühlte mich, als wäre ich in der Nähe von Schneewittchen und den sieben Zwergen, hinter den sieben Bergen.
Wie durchfuhren Flüsse, nahmen Straßen, von denen ich es nie für möglich gehalten hätte, dass diese überhaupt passierbar sind: schlammig, mit tiefen Spurrillen, schwer beschädigt bis hin zu nicht existierend. Schwierig für Mann und Maschine zu bewältigen – in diesem Fall war die Maschine unser allradangetriebenes „Pick-up-Monster“. Manchmal mussten wir sogar auf Motorräder umsteigen, die an den Seiten angebaute Flügel hatten, um unsere Ausrüstung und unser Team zu transportieren.
Das Team von Mindanao und Mindoro war bei meiner Arbeit eine großartige Hilfe. Ohne deren Hilfe und die ein oder andere Schulter zum ausheulen hätte ich das nie geschafft.
Unsere tägliche Routine bestand darin, früh morgens zwischen fünf und sechs Uhr von krähenden Hähnen, bellenden Hunden aufgeweckt zu werden, um dann, nach einem schnellen Frühstück, auch schon an den jeweiligen Einsatzort zu fahren.
Wir behandelten sowohl lebensbedrohliche als auch allgemeine Erkrankungen. In meinem Fall ging es den ganzen Tag darum, kariös zerstörte, tief abgebrochene und schmerzende Zähne zu entfernen. Das war unter den vorhandenen Bedingungen nicht immer einfach. Aber auch, wenn die Ausstattung vor Ort – im Vergleich zum europäischen Standard – nicht immer optimal ist, kann man trotzdem mit den einfachsten Mitteln unsere Arbeit angehen.
Jeden einzelnen Tag durchlebte ich die ganze Bandbreite der Gefühlswelt und ich möchte euch mehr darüber erzählen, damit ihr verstehen könnt, was in einem vorgeht und wie es hinter den Kulissen aussieht, wenn man für eine Nichtregierungsorganisation (NRO) wie die German Doctors mit der rollenden Klinik unterwegs ist.
Enthusiasmus und Resignation
Als ich auf die Philippinen flog, um da das erste mal freiwillig in einem Entwicklungsland zu arbeiten, wusste ich nicht wirklich, was auf mich zukommen wird. Ich wusste nur, es wird hart werden, auf allen Ebenen. Ich bekam die Chance, etwas von meinem Glück im Leben zurückgeben zu können und durch meine beruflichen Fähigkeiten Menschen zu helfen, die diese Hilfe dringend benötigen.
Ich hatte genau das gleiche Gefühl, das ich hatte, als ich frisch von der Universität ins Alltagsleben gestolpert bin: Ich wollte jedem helfen, jedem mein Wissen vermitteln und damit die Welt verbessern.
Indem ich Zähne entfernte statt sie zu reparieren, habe ich die Patienten mit der absoluten Basisversion der heutigen westlichen Zahnmedizin behandelt. Aber für die Menschen vor Ort ist es die allergrösste Hilfe, die sie bekommen können. Jeder Einzelne schätzte es sehr, dass ich vor Ort war um, einen, manchmal zwei, drei oder noch mehr Zähne zu entfernen und ihnen damit den Schmerz zu nehmen.
Für mich als Zahnärztin war es sehr schockierend, soviel zerstörte Zähne auf einmal in einem Gebiss zu sehen. Festzustellen, dass Kinder schon am Morgen zu viele Süßigkeiten bekommen, weil diese preiswerter sind als so manches Grundnahrungsmittel, das eigentlich benötigt werden würde. Herauszufinden, dass manche nicht einmal eine Zahnbürste geschweige denn Zahnpasta besitzen, weil die Leute sich diesen „Luxus“ nicht leisten können.
Jeden Morgen bevor wir mit unseren Behandlungen begonnen haben, wurden von unseren Assistenten Vorträge darüber gehalten, wie man richtig Zähne putzt, was man tun kann, um Zähne gesund zu erhalten und dies auch am Modell gezeigt.
Wenn ich dabei in die Gesichter der Menschen geschaut habe, kam es mir oft so vor, als würden sie das alles nicht verstehen, was wir da erklären. Sie hören überhaupt nicht zu. Es ist ihnen egal. Andere Dinge, wie zum Beispiel die Sorge darüber, wo und wann man das nächste mal etwas zu essen herbekommt sind einfach viel wichtiger für sie. Denn viele Leute, besonders kleine Kinder, hungern und sind unterernährt.
Aus meinem Enthusiasmus zu Beginn des Einsatzes wurde so etwas wie Resignation. Ich realisierte, dass ich die Welt nicht verändern konnte. Ich kann lediglich einen kleinen Beitrag leisten, um sie für den Moment ein klein wenig angenehmer für sie zu machen.
Es wird lange dauern, bis sich durch stetige Aufklärung kleine Dinge in ihrem Leben verändern. Aber möge es auch nur die kleinste Veränderung sein, sie ist es wert.
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Bildquelle (Außenseite): Simon Row, flickr