In meinem ersten Artikel über meine Arbeit für die German Doctors habe ich euch etwas über Enthusiasmus und Resignation erzählt. Heute geht es um Glücksgefühle und Traurigkeit.
In meinem ersten Artikel über meine Arbeit für die German Doctors habe ich euch etwas über Enthusiasmus und Resignation erzählt. Falls ihr diesen verpasst habt, dann klickt einfach hier.
Heute wird es etwas schwieriger für mich werden, denn ich möchte euch etwas über Glücksgefühle und Traurigkeit berichten. Ich beginne mal mit den Glücksgefühlen. Glücklich sein bedeutet für mich den Moment genießen, in dem man nicht anders kann, als zu lächeln.
Seit ich auf meine Reise gegangen bin, erlebe ich tagtäglich solche Momente aus ganz unterschiedlichen Gründe. Ich kann für mich nur sagen, dass ich jeden Tag ein Lächeln im Gesicht habe und am Abend damit einschlafe.
Ich habe für mich entdeckt, dass dies eine der wichtigsten Emotionen im Leben ist. Denn wenn ich glücklich bin, dann profitieren die Leute um mich herum auch davon, sie können so einen Teil meines Glückes miterleben und empfinden meine Gegenwart als angenehm.
Sehr oft kommen solche Momente in Situationen vor, in denen ich am wenigsten damit rechne. Sie äußern sich durch Freude, Zufriedenheit, in lustigen Dingen, oder wenn ich etwas zum ersten Mal mache. Manchmal endet ein solcher Glücksmoment in einem so intensiven Lachen, dass die Tränen fließen.
Während meiner – häufig sehr anstrengenden – Arbeit für die German Doctors, hatte ich zig dieser Momente, die ich nie vergessen werde. Wenn das Team am Morgen unseren Behandlungsplatz aufbaute, ging ich immer auf Entdeckungstour, habe mir das Dorf angeschaut, mich mit der Umgebung vertraut gemacht und meiner zweiten Leidenschaft, der Fotografie, freien Lauf gelassen, die Ruhe vor dem Storm genossen. Abgesehen von einzelnen schüchternen Kindern, wurde ich sehr oft mit einem Lächeln oder aufgeregtem Lachen begrüßt.
Und wer lächelt nicht automatisch, wenn Kinder auf einen zugelaufen kommen und rufen „picture, picture“, um einen herumblödeln, aufgeregt in der Gegend umher hüpfen? Also, ich schon. „Yeah, der erste glückliche Moment des Tages.“
In der Rolling Clinic startete jeder Tag mit Frühsport zusammen mit unseren Patienten. Ja, genau, richtig gelesen. Frühsport!
Eines Tages wurde ich dazu auserkoren, diesen zu leiten. Also bin ich ins kalte Wasser gesprungen und habe das erste Mal vor einer kleinen Menschenmenge gestanden und Übungen vorgemacht, die mit sehr viel Spaß und Freude und ganz vielen Lachern angenommen wurden. Wann turnt schon 'mal eine Zahnfee mit Flügeln vor einem rum?
Und wisst ihr was? Auch mir hat es jede Menge Spaß bereitet. Und die nächste kleine Portion von Glück erreichte mein Herz.
Dann musste natürlich auch der Tag starten und dieser bestand wie immer daraus, jede Menge Zähne zu ziehen. Nun kann man sich zurecht die Frage stellen, wie eine Zahnärztin Glück und Freude verbreiten sollte. Schließlich fürchten viele von uns ja die Zahnärzte, richtig? Dabei gibt es wirklich Liebe und Vorsichtige in unserer Gilde... Aber das nur am Rande.
So ziemlich alle meiner Patienten haben den Behandlunsgstuhl mit einem Lächeln im Gesicht verlassen. Auch, wenn es für den Moment – wegen der Betäubung – etwas schief ausgesehen haben mag. Aber ich konnte sie von Schmerzen befreien und ihr Lächeln hat auch automatisch mich zum lächeln gebracht.
Ich sah immer wieder Kinder, die mit den einfachsten Dingen spielten. Sei es ein alter Reifen, der mit einem Stock vorwärts getrieben wurde, eine Münze, die auf einer Treppe lag und durch den von zusammengefalteten Händen erzeugten Wind von dieser runtergeschubst werden mussten (und glaubt mir, das ist nicht einfach, ich habe es versucht und kläglich versagt). Manchmal wurden Flip Flops auf ein Ziel geworfen oder auf dem Knie balanciert. Es wurde mit Murmeln gespielt (kenne ich selbst noch aus meiner Kindheit), die Kinder rutschten auf dem Hintern einen Berg Kieselerde herunter. Und jedes Mal hatte ich wieder ein Lächeln im Gesicht und war glücklich, weil es die Kids für den Moment auch waren.
Nachdem unsere Arbeit getan war, spielte ich manchmal mit den Kindern. An meinem allerersten Behandlungstag waren da diese 5 Jungen mit einem Basketball. In jedem Dorf gab es einen Basketballplatz, wenn auch sehr einfach. Ich habe sie gebeten sich auf eine Holzbank hintereinander hinzusetzen. Ich saß am Rand auf dieser Bank, habe den Basketball genommen und ihn über den Kopf zum Nächsten gereicht, und dieser an den Nächsten usw.
Der Letzte in der Reihe musste dann schnell nach vorne laufen und wir haben wieder von erneut begonnen. Nach einigen Runden habe ich mich zurückgezogen und weitere Jungen aus dem Dorf sind in das Spiel eingestiegen. Dann waren es etwa zehn auf dieser alten Holzbank. Wisst ihr, was nun kommt?
Sie brach zusammen. Jeder, der um uns herumstand und zuschaute, musste lachen – natürlich auch die zehn Junge, die am Boden lagen. Und wieder ein glücklicher Moment mehr an diesem Tag.
Eines Tages wurde sogar ein Baby nach mir benannt. Sie war drei Monate alt und hatte noch keinen Namen, da hat die Mama sich einfach für meinen entschieden. Das hier ist Mini-Winnie.
Was mich immer wieder zum Lachen gebracht hat, waren die Tiere, die an meinem Behandlungsstuhl vorbei liefen: Wasserbüffel (auf den Philippinen heißt dieser Carabao), Katzen, Hunde, Wachteln, Hühner und sogar Schweine.
Jeden Tag, wenn wir von der Rolling Clinic in unser Übernachtungsquartier zurückfuhren, fühlte ich mich zufrieden mit der Arbeit die wir alle geleistet hatten, weil ich wusste, wir hatten vielen Leuten geholfen. Ich hatte wieder dieses riesige Lächeln im Gesicht, denn ich hatte einen erfüllten Tag, ganz egal wie anstrengend er gewesen war – selbst, wenn wir bis in die Dunkelheit hinein gearbeitet hatten.Nicht nur die Bewohner der Dörfer hatten oft gemeinsam mit uns Spaß. Auch das Team hatte bei der Arbeit jede Menge Freude. Ob singend am Behandlungsstuhl oder bei der Karaoke, mmer wieder hatten wir einen Scherz auf den Lippen. Ich schätze mal, dass dies ein Weg war, um mit den traurigen Dingen, die wir zu sehen bekamen, umzugehen.
Und damit sind wir auch bei der Traurigkeit angekommen. Als ich anfing für German Doctors zu arbeiten, wusste ich, dass es Situationen geben würde, in denen ich mit meinen Gefühlen zu kämpfen hätte.
Mittagspause unter Tränen
Bei traurigen Begebenheiten, bin ich einfach ziemlich nah am Wasser gebaut. Was mich am meisten berührt hat, war die Vielzahl an unterernährten Kindern. Diese kleinen Geschöpfe hungernd und weinend zu sehen, wenn ich nur daran denke, bricht es mit gleich wieder das Herz.
Um so verständlicher wird es für euch sein, wenn ich euch erzähle, dass ich eines Tage in der Mittagspause in Tränen ausbrach. Ich konnte einfach mein Gefühl der Traurigkeit nicht mehr kontrollieren und musste dieser nachgeben. Ich musste meine Emotionen rauslassen, um weiterhin in der Lage zu sein, meinen Job zu tun, denn dafür war ich ja schließlich da. Dies war einer der emotionalsten Momente auf meinen Touren mit der Rolling Clinic. Ich fragte mich oft, wie es sein kann, dass in einem Land, reich an Agrarprodukten, Kinder und Erwachsene hungern müssen.
Wie ich in Erfahrung bringen konnte, besitzen die Menschen das Land auf dem sie leben nicht und arbeiten meistens als Bauern auf dem Feld und verdienen so gut wie gar nichts (ca. 3 Euro am Tag). Dazu kommt noch, dass oft an Wasser und/oder Elektrizität fehlt. Es ist also kein Wunder, dass manche von ihnen aussehen, als hätten sie sich seit Tagen nicht gewaschen, schmutzige Sachen tragen und viele Kinder entweder ein zerrissenes und beflecktes T-Shirt anhaben oder gar nichts.
Natürlich macht es mich als Zahnärztin sehr traurig, das zu sehen. Viel zu teure Zahnbürsten und Zahnpasta und ein Mangel an Wissen in Bezug auf Mundhygiene und Ernährung sind hier ein großes Problem. Süssigkeiten sind im Vergleich dazu super billig und werden in kleinen Tütchen verkauft. Wenn ich dann schon um 9 Uhr morgens Kinder mit einem Lollipop im Mund sah, verstand ich die Welt für eine Sekunde nicht mehr – bis mir bewusst wurde, wo ich war. Und wieder holte mich die Traurigkeit ein.
Ganz nah ging es mir immer, wenn ich bei einem meiner kleinen Patienten – manchmal gerade 5 Jahre alt – Zähne ziehen musste. Aber ich musste professionell sein und habe versucht den Kids mit kleinen Witzchen und extra viel Aufmerksamkeit und Zuwendung, ein sicheres Gefühl auf dem Zahnarztstuhl zu geben. Und wenn wir es dann geschafft hatten, habe diese kleinen, mutigen Herzchen mir ein „high five“ gegeben und mich wieder zum Lächeln gebracht.
Manchmal liegen Glücksgefühle und Traurigkeit eben sehr eng bei einander. Was ich von dem Volk der Philippinen gelernt habe: „Versuch glücklich zu sein und lächle, ganz egal was ist. Mach das Beste aus der schlechtesten Situation!“
Ich bewundere sie für diesen positiven Geist und hoffe, dass ich ein wenig davon mitgenommen habe, denn es scheint, dass das Leben damit ein klein wenig einfacher ist.
Alles Liebe
Eure Tooth Fairywww.thetoothfairytravels.com
Bildquelle (Außenseite): rohit gowaikar, flickr