Die hier vorgelegte Studie zu Oseltamivir/Paracetamol verfehlt ihr Ziel: Weltweit kein einziger Hinweis, dass Paracetamol kausal gegen Influenza A+B wirkt. S. Jefferies et al. wollten mit ihrer Publikation 'Randomized controlled trial of the effect of regular paracetamol on influenza infection' die Effekte einer Paracetamol-Dauertherapie bei Influenza-Infektionen im RCT-Studiendesign überprüfen.
Ihre Schlussfolgerung ist, regelmäßige Paracetamol-Einnahme hätte keine Wirkung auf Virusverbreitung, Körpertemperatur oder klinische Symptome bei Patienten mit PCR-bestätigter Influenza. Die Grundlage Evidenz-basierter Paracetamol-Anwendung bliebe deshalb bei Influenza-Infektionen unzureichend. ["Conclusion - Regular paracetamol had no effect on viral shedding, temperature or clinical symptoms in patients with PCR-confirmed influenza. There remains an insufficient evidence base for paracetamol use in influenza infection"] http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/resp.12685/abstract
Damit verfehlt das Autorenteam aus Neuseeland jedoch das eigentliche Thema.
Auch wenn Methodik und Durchführung der Studie wissenschaftlich exakt und korrekt sind: Methoden – dies ist eine randomisierte, doppelblind Placebo-kontrollierte Studie bei zwischen 18 und 65 Jahre alten Erwachsenen mit Influenza-ähnlicher Krankheitssymptomatik und einem positiven Influenza-Antigen-Schnelltest; behandelt mit 4 x 1.000 mg Paracetamol tgl. bzw. Placebo über 5 Tage… ["Methods - This is a randomized, double-blind, placebo-controlled trial of adults aged 18–65 years with influenza-like illness and positive influenza rapid antigen test. Treatments were 1000 mg paracetamol four times a day, or matching placebo, for 5 days. Pernasal swabs were taken for influenza quantitative RT-PCR at Baseline and Days 1, 2 and 5. Temperature and symptom scores were recorded for 5–14 days or time of resolution respectively. The primary outcome variable was area under the curve (AUC) for quantitative PCR log10 viral load from Baseline to Day 5"]...bleibt die Darstellung äußerst fragwürdig. Paracetamol und andere Analgetika/Antipyretika wie Metamizol/Novaminsulfon (Pyrazolon-Derivate) mit dem Wirkstoff 4-Methylaminophenazon (4-Methylamino-1,5-dimethyl-2-phenyl-1,2-dihydro-3H-pyrazol-3-on) bzw. eher antirheumatisch wirksame NSAR dienen ausschließlich der Symptomlinderung und können weder Krankheits-Dauer noch -Intensität entscheidend ändern. Antiviral und damit kausal wirksam sind gegenüber Influenza A+B nur und ausschließlich zwei Neuraminidase-Hemmer: Oseltamivir (Handelsname Tamiflu®) als Suspension oder Kapsel oral angewendet und zur Therapie und Prophylaxe ab dem ersten Lebensjahr zugelassen. Zanamivir (Handelsname Relenza®) als weiterer Neuraminidase-Hemmer ist ein Pulver zur Inhalation. Es darf ab dem fünften Lebensjahr zur Therapie verwendet werden. Zwei M2-Membranproteinhemmer sind als Amantadin (in Deutschland nur noch als Generika) und Rimantadin (Handelsname Flumandine®) ohne Bedeutung bzw. nur eingeschränkt zugelassen. Im Abstract bleibt das größte und entscheidende Handicap der Studie von S. Jefferies et al. in "Respirology - Official Journal of the Asian Pacific Society of Respirology" ["Article first published online: 6 DEC 2015 | DOI: 10.1111/resp.12685"] unerwähnt! Erst im Volltext unter
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/resp.12685/full
wird erkennbar, dass der p a r a l l e l e Einsatz eines gegen Influenza A+B-Viren spezifisch und kausal wirksamen Neuraminidase-Hemmers Oseltamivir gleichermaßen in der Placebo-Gruppe o h n e Paracetamol e b e n s o wie in der Verum-Gruppe m i t Paracetamol erfolgte und d e s h a l b gar keine wesentlichen Unterschiede ergeben konnte: Die Behandlungs-Effektivität wurde in beiden Gruppen durch Oseltamivir etwa gleich stark wirksam beeinflusst und dominiert [„All participants were administered a 5-day course of oseltamivir in accordance with international recommendations for management of influenza infection at the time of protocol development“].
Es waren auch nur je 40 Patienten in beiden Vergleichsgruppen [“A total of 80 participants positive on influenza rapid antigen testing were randomized, 40 each to placebo and paracetamol”]. Absoluter Knüller wissenschaftlicher Ungenauigkeit war jedoch, dass von 80 Gesamtteilnehmern in der Studie nur 46 Patienten eine PCR-positive Influenza-A/H3N2 (N=33), -A/H1N1 (N=4), Influenza-A nicht typisiert (N= 1) und Influenza-B (N=8) hatten. 22 Patienten waren in der Placebo-Gruppe und 24 in der Paracetamol-Gruppe [“There were 46 participants who were PCR influenza-positive (A/H3N2 n = 33, A/H1N1 n = 4, A not typed n = 1, B n = 8): 22 in the placebo group and 24 in the paracetamol group (Fig. 1). In 20 participants a non-influenza respiratory virus only was identified by PCR, and in 14 participants no virus was identified by PCR”]. Bei 20 Teilnehmern wurden per PCR ein N I c h t-Influenza-Atemwegs-Virus und bei 14 Teilnehmern k e i n Virus identifiziert.
Die hier kritisierte Studie ist in Wahrheit eine offene, unverblindete Oseltamivir-Beobachtungs-Darstellung. Paracetamol oder Placebo waren nur eine „add-on“ Behandlung, für die Oseltamivir gewissermaßen das Alibi darstellte. Paracetamol oder Placebo hätte man gleichermaßen weglassen können. Geradezu grotesk ist, dass bei 42,5 Prozent der Studienteilnehmer gar keine Influenza A oder B Infektion vorgelegen hatte, und die Oseltamivir-/Paracetamol-/Placebo-Therapie eigentlich damit völlig sinnlos und gar nicht Leitlinien-gerecht war!
So wurden nur falsche Erwartungen in eine für die spezifische Influenza-Therapie gar nicht produzierte und keineswegs zugelassene Substanz Paracetamol geweckt. Der Bock wurde zum Gärtner gemacht!
Trotzdem, Herzliche Weihnachtswünsche!