Privates und Berufliches zu vermischen, ist selten eine gute Idee. Das gilt einmal für Interaktionen mit Patienten, aber auch unter ärztlichen Kollegen ist die Vermischung von privat und beruflich oft eine Gratwanderung.
Heute kam eine Bekannte von mir in die Sprechstunde. Ich schätze sie sehr – als einen vernünftigen, gebildeten Menschen. Sie hat es nicht immer leicht im Leben gehabt und kürzliche Schicksalsschläge haben sie dazu bewogen, eine Psychotherapie zu beginnen. Sie kam zwar wegen eines anderen Problems, beklagte sich aber nebenbei fürchterlich über ihren Therapeuten und wie er sie in den ersten zehn Stunden behandelt habe. Laut ihren Aussagen sei kein Therapiekonzept zu erkennen gewesen, außer immer wiederkehrender Mitleidsbekundungen wie „Ach Mensch, das ist ja wirklich schlimm“ und „Oh Gott, oh Gott!“. Außerdem erschien er wohl immer unvorbereitet zur Therapiestunde und stellte ihr wiederholt die gleichen Fragen: „Haben Sie eigentlich Kinder?“ oder „Als was arbeiten Sie momentan?“. Aufgrund dieser Erfahrungen, hat sie die Psychotherapie bei ihm abgebrochen und sucht nun einen neuen Therapeuten. Um ihr ein paar Kollegen zu nennen, an die sie sich noch wenden könnte, fragte ich nach dem Namen ihres jetzigen Therapeuten. Zu meinem Entsetzen musste ich feststellen, dass sie bei einem guten Bekannten von mir war. Da ich auch meine Patientin gut kenne, jahrelang mit ihr zusammengearbeitet habe und weiß, dass sie eigentlich niemand ist, der Probleme übertrieben darstellt, muss ich davon ausgehen, dass die Situation doch so ähnlich stattgefunden hat, wie sie es beschrieben hat. Dabei wollte ich ihr eben jenen guten Bekannten eigentlich als Therapeuten vorschlagen. So wie ich ihn kennengelernt habe – allerdings nur privat – deckt sich das so gar nicht mit ihren Erzählungen. Ich bin allerdings froh, dass ich zunächst nicht nach dem Namen des Therapeuten gefragt habe, sonst hätte sie mir das gar nicht erzählt. Ich habe auch nicht erwähnt, dass ich ihn ziemlich gut kenne. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Patienten über Kollegen beschweren, die ich zu meinen Freunden zähle, beziehungsweise persönlich ganz anders kennengelernt habe. Bei manchen Patienten, die sich beschweren, kann ich mir gut vorstellen, dass für sie das alte Sprichwort gilt: „Wie man in den Wald hereinruft, so schallt es heraus.“ Ich möchte gar nicht wissen, was Patienten über mich erzählen, wenn sie bei einem anderen Arzt sind. Andere Patienten kenne ich schon länger und kann mir weniger vorstellen, dass die Vorwürfe gegenüber meinen bekannten Kollegen nicht ein bisschen berechtigt sind. Richtig schwierig wird es dann, wenn objektiv Fehler passiert sind, wie fehlende Blutkontrollen, falsche Therapieempfehlungen usw. Gerade vor ein paar Tagen war ein Patient bei mir, der am Wochenende bereits im Krankenhaus war, weil er solche Schmerzen im Großzehengrundgelenk hatte. Behandelt hatte ihn ein Freund von mir. Der Patient erzählte mir empört, dass ihm weder Blut abgenommen wurde, noch sein Fuß wirklich untersucht worden wäre. Medikamente hätte er auch keine bekommen. Ich konnte das gar nicht glauben, aber da er noch den Rettungsstellenzettel hatte, konnte er es beweisen. Bis heute überlege ich, ob ich meinen Freund darauf anspreche oder nicht. Mittlerweile versuche ich, die Patienten schon gar nicht mehr nach den Namen der Ärzte zu fragen, über die sie sich beschweren. Auf der anderen Seite erwähne ich nicht mehr, wenn ich einen Kollegen privat näher kenne, damit die Patienten sich nicht gehemmt fühlen, Dinge auszusprechen. Trotzdem bin ich immer unsicher, ob ich befreundete Kollegen auf Beschwerden von gemeinsamen Patienten anspreche oder nicht. Niemand hört Kritik gern und wir alle machen Fehler, aber vielleicht gibt es auch logische Gründe für das vermeintliche Fehlverhalten der Kollegen, die sich nur dem Patienten nicht erschlossen haben. In jedem Fall ein sensibles Thema.