‚Carcinogenicity of consumption of red and processed meat‘ war der plakative Titel einer vorläufigen Publikation, die 22 internationale Experten aus 10 Ländern gemeinsam mit der International Agency for Research on Cancer (IARC) in Lyon/F im Lancet veröffentlicht haben. Verarbeitetes, gepökeltes oder geräuchertes Fleisch (‚processed meat‘),
insbesondere gebraten, gegrillt und nitrosamin-/acrylamid-haltig wurde mit unbehandeltem Schlachtfleisch (rotem Fleisch) in einen Topf geworfen.
Peinlich für WHO-IARC-Experten! Sie müssen mit ihren voreiligen Schlussfolgerungen und Warnungen (Lancet Oncol 2015, online seit dem 26. Oktober und siehe hier) zurückrudern.
Verarbeitetes, gepökeltes oder geräuchertes Fleisch erhöht beim Menschen geringfügig das allgegenwärtig altersabhängige Krebsrisiko. Das wissen wir schon lange. Die Gattung Mensch is(s)t allerdings mit ihrem Gebiss, ihrer Beißmuskulatur, ihren Darm-, Verdauungs- und Ausscheidungs-Tätigkeiten „Allesfresser“ (Omnivore): Vergleichbar mit hochentwickelten Primaten ist der Homo sapiens auf eine obst- und vegetabil betonte Mischkost mit Fleisch, Fisch, Geflügel, Getreide und Milch-(Produkten) angewiesen.
Sein Energiebedarf über Protein, Kohlenhydrat, Fett, Mineralstoffe und Spurenelemente ist wegen der Gehirnentwicklung viel höher als bei anderen Primaten. Der global immer weniger Energie-verbrauchende Lebensstil, mangelnde Anstrengungs- und Aufwands-Kultur bzw. Bewegungsarmut post-industrieller Gesellschaften bei exzessivem Nahrungsmittelüberfluss führt gegenüber Armutsländern zu metabolischer Entgleisung, Diabetes mellitus und wachsendem kardio-pulmonalem bzw. nephro-vaskulären Risiko mit sekundärer Tumorinduktion: Dennoch steigt die Lebenserwartung und deren Abstand selbst gegenüber Armuts- und Schwellenländern immer weiter an.
Das ist der wesentliche Grund für die völlig naiv-empiristisch-heuristische, vorlaute Ableitung eines erhöhten Sterberisikos bei Konsum von rotem Fleisch, wenn man nicht zwischen „processed meat“ und „non-processed meat“ differenzieren will. Wir sterben nicht weil, sondern während wir zu viel rotes Fleisch essen und weil uns der allgemeine Überfluss zu dick macht! Das sogenannte „rote Fleisch“ sieht in Wahrheit blass-grau-braun-rosé aus, wird aber vom Metzger auf Wunsch der Verbraucher extra rot eingefärbt. Es macht statistisch bei normalen Mengen keine Erhöhung des Krebsrisikos.
Die 22 WHO/IARC-Experten beschreiben selbst, dass sie unverarbeitetes rotes Fleisch klammheimlich nur als „wahrscheinlich krebserregend“ klassifizieren können. Denn eine Evidenz, dass der Verzehr von rotem Fleisch karzinogen sei, können die Experten nicht mal belegen: Nur 7 von 15 informativen Fall-Kontrollstudien berichten von einer positiven Assoziation („Of the 15 informative case-control studies considered, seven reported positive associations of colorectal cancer with high versus low consumption of red meat”). „Case-control studies“ haben im Übrigen die schwächste Signifikanz und Aussagekraft wegen fehlender Ausgangshypothese und keinem prospektiven oder kontrollierten Studiendesign, wie bei sogenannten RCT-Studien.
Von einer nachvollziehbaren Publikation kann keine Rede sein. Diese ist noch in Vorbereitung: „International Agency for Research on Cancer. Volume 114: Consumption of red meat and processed meat. IARC Working Group. Lyon; 6–13 September, 2015. IARC Monogr Eval Carcinog Risks Hum (in press).“
Stattdessen flüchten sich die Experten in untaugliche Beispiele: Wenn tägliche 50-Gramm-Portionen von Produkten aus verarbeitetem Fleisch („processed meat“) das Risiko für Darmkrebs laut IARC um 18 Prozent steigern, erhöhen 278-Gramm täglich das Darmkrebsrisiko dann um einhundert Prozent? Und ist der Konsum einer 10-Gramm-Portion tgl. dann mit 3,6 Prozent erhöhtem Darmkrebsrisiko nicht mehr signifikant? Durch eine große Zahl von Rückfragen, besorgte Kommentare und Bitte um Konkretisierung sahen sich WHO und IARC zur Klarstellung genötigt und ruderten in einer erneuten Mitteilung vom Donnerstag, den 29.Oktober 2015, zurück.
Die WHO kündigt an, dass Anfang des kommenden Jahres ein Expertenkomitee der WHO die neuen Erkenntnisse und deren Auswirkungen auf die allgemeinen Ernährungsempfehlungen bewerten wird. Dieses soll dann auch den genauen Stellenwert von verarbeitetem bzw. rotem Muskelfleisch im Kontext einer gesunden Ernährung definieren.
Lauert da etwa wider besseres Wissen ein weiteres Mal die „Haxe des Bösen“?
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