Es gibt wenig Dinge, die Kunden in meiner Apotheke sagen oder tun, die mich wirklich nerven. Meistens habe ich Verständnis – immerhin hat jeder sein Päcklein zu tragen und die Leute kommen oft nicht aus reiner Freude in die Apotheke.
Zu den Dingen, die mich wirklich nerven, gehören zum Beispiel schlechte Manieren. Oder Machtdemonstrationen und Mobbing. Wenn man so verzweifelt auf der Suche nach Streit ist, dann sollte man sich jemanden in derselben Gewichtsklasse dafür suchen. Den eigenen Tagesfrust an der Pharmaassistentin oder Drogistin auszulassen, nur weil sie da ist und sich das anhören „muss“, ist unfair.
Und was mich richtig ärgert: wenn jemand versucht, meine Intelligenz und Berufsehre zu beleidigen. Es gibt Leute, die versuchen das. Die lügen, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Mein Problem ist, dass es mir hinter der Theke nicht erlaubt ist, unhöflich zu sein. Ich muss lächeln und schlucken. Ich soll höflich sein und verständnisvoll, soll versuchen, dem Patienten auch im Zweifelsfall zu helfen.
Versteht mich nicht falsch. Sie als Patient, auf Ihrer Seite, haben ein Bedürfnis. Ein echtes Bedürfnis ruft auf meiner Seite auch echten Service mit einem Lächeln hervor. Garantiert. Wenn das Bedürfnis aber nicht echt ist, wenn Sie zu mir kommen in egoistischer Mißachtung Ihres Gegenübers (das in diesem Falle ich wäre), dann bekommsen Sie von mir auch ein eher kühles Verhalten zu spüren und vielleicht auch nicht die Erfüllung Ihrer Bedürfnisse.
Da das alles sehr allgemein formuliert ist, folgt nun ein konkretes Beispiel:Es geht um eine Frau, mit der ich einen wirklich unnötig langen Austausch bezüglich Augentropfen hatte. Sie kam in die Apotheke und hat ausdrücklich nach Maxitrol Augentropfen verlangt. Meine Pharmaassistentin hatte die Tropfen zwar schon gefunden, rief mich aber, da es sich um ein rezeptpflichtiges Produkt handelt und die Kundin sich weigerte, auch nur ein paar einfache Fragen zu beantworten. Sie wolle aber Maxitrol und Maxitrol würde ich ihr geben.
Würde ich nicht. Nicht einfach so. Ich erklärte ihr ruhig, dass es diese antibiotische Augentropfen nur auf Rezept gebe, dass die Abgabe also gesetzlich geregelt sei und dass ich (und meine Mitarbeiter) diese Gesetze auch deshalb befolgen, weil es unsere Aufgabe sei, ihre Gesundheit zu schützen und dafür zu sorgen, dass Sie die richtige Behandlung bekommt. Für meine Erklärungsbemühungen erntete ich nur einen starren Blick. Also fuhr ich fort und fragte sie nach ihren genauen Beschwerden. Sie informiert mich herablassend, dass sie an trockenen Augen leide. Auf weiteres Nachfragen, stimmte sie mir zu, dass ihre Beschwerden nicht die einer bakteriellen Bindehautentzündung sind. Aber sie bleibe dabei: Sie sei hier hergekommen, um Maxitrol Augentropfen zu kaufen und Maxitrol würde sie bekommen.
Ich erklärte ihr noch einmal (höflich), dass ich ihr aufgrund ihrer Beschwerden und aufgrund der Tatsache, dass die Tropfen rezeptpflichtig seien, kein Maxitrol geben könne. Daraufhin zog sie die letzte Trumpfkarte – und ja, die habe ich schon fast erwartet: „Aber mein Arzt hat mir gesagt, dass ich das benutzen soll.“
Ja, natürlich. Wenn ihr Arzt Maxitrol für trockene Augen empfiehlt, dann sollte ich wohl mal ein ernstes Wort mit ihm reden und ihm erklären, wofür die Tropfen tatsächlich sind. Aber ich glaubte nicht mal ansatzweise, dass die Empfehlung von ihm kommt. Was sich dann auch darin bestätigte, dass sie ablehnte, ihn zu kontaktieren.
Es war lediglich der letzte Versuch von ihr, mich für dumm und gutgläubig zu verkaufen und mich mit dem Zauberwort „Arzt“ dazu zu bringen, nachzugeben. Das meinte ich als ich schrieb, dass ich es nicht mag, wenn man versucht, meine Intelligenz zu beleidigen – und genau das lässt mich ihr gegenüber den Respekt verlieren, auch wenn ich höflich bleibe. Spielen Sie uns gegenüber nicht die „Arzt-Karte“ aus. Wenn der Arzt Ihnen das wirklich verschreiben wollte, dann hätte er das wohl auch getan. In diesem Falle könnte er uns eine Fax schicken und ich würde es abgeben. Aber ohne Rezept und mit diesen Lügen? Nein. Keine Antibiotika heute.
„Befeuchtende Augentropfen sind das richtige für die Sie und wenn Sie das nicht wollen, ist das Ihre Entscheidung." Also: Spielen Sie keine Spielchen mit uns. Seien Sie ehrlich, berichten Sie uns von dem Problem und Ihren Beschwerden, versuchen Sie nicht etwas zu verstecken und lassen Sie uns helfen. Sie sind nicht die Fachperson in der Apotheke, Sie sind der Patient.
Und bevor mir jemand den Kopf abreisst: Ja, ich weiß auch, dass es viele sehr intelligente und gebildete Menschen gibt, die sich informiert haben und ihre Entscheidungen aufgrund dieser Informationen treffen. Aber wenn Sie das Medikament, dessen Anwendung, Anwendungsgebiet, die Wechselwirkungen und Nebenwirkungen nicht kennen, dann erlauben Sie uns, dass man Sie durch den Prozess führt. Alles andere wäre unprofessionell und sogar ungesetzlich. Mal ganz davon abgesehen, dass es schädlich für Ihre Gesundheit wäre.