Wer in einer Praxis arbeitet, muss eine gewisse Vorliebe für Zahlen und Nummern haben. Man verbringt schon eine geraume Zeit des Tages damit, irgendwelche Nummern in den Computer einzutragen. Ohne eingetragene Nummern gibt es kein Geld, so einfach ist das.
Das heißt leider im Umkehrschluss nicht, dass eingetragene Nummern automatisch Geld bringen. Dem ist nicht so. Die Rede ist vom EBM-System. EBM, das steht für Einheitlicher Bewertungsmaßstab der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Dahinter verbirgt sich ein Punkte- und Nummernsystem, mit dem die ambulant erbrachten Leistungen abgerechnet werden. Vom Prinzip her ganz simpel.
Nur leider steckt der Teufel auch hier im Detail. Abgesehen davon, dass die EBM-Nummern öfters mal wechseln, die eine auf- die andere abgewertet wird, die Vorraussetzungen für die einzelnen Nummern geändert werden oder Nummern gleich ganz gestrichen werden, gibt es für bestimmte Leistungen einfach mal gar keine Nummer, ergo auch kein Geld.
Das EBM-System ist ein sehr komplexes und kontrovers diskutiertes Thema, zu dem man viel sagen könnte. Eine "Neuerung" ist die seit Dezember geltende Neuregelung der Abrechnung von Patienten im kassenärztlichen Bereitschaftsdienst. Da ich seit geraumer Zeit für mehrere in der Region niedergelassene Ärzte die Bereitschaftsdienste übernommen habe und dementsprechend viele Dienste mache, trifft mich dieses Thema doch mehr. Um die nicht EBM-vertrauten Leser nicht über Gebühr zu langweilen, hier die Kurzfassung dieser Änderung:
Bis Dezember hat man bei Patientenkontakt im Dienst im Schnitt zwei Nummern mit einem bestimmten Punktewert eingetragen, plus eine Nummer für einen eventuellen Hausbesuch und Wegegeld, wenn die Patienten nicht in die Praxis kommen konnten. Der Punktewert lässt sich relativ linear in einen monetären Wert umrechnen. Nach Neu-Ordnung gibt es nun nur noch eine Nummer für den Kontakt im Dienst, diese ist aber deutlich weniger Punkte wert als die beiden alten Ziffern. Dafür gibt es auch eine neue Ziffer für den Hausbesuch, die nun mehr wert ist als die vorherige, sodass der "Leistungserbringer" aka der Arzt, auf den ungefähr gleichen Punktewert kommen soll. Aufmerksamen Lesern ist sicher schon der große Haken an dieser Neuerung aufgefallen: Was ist mit Patienten, die man im Dienst in die Praxis bestellt?
Dann kann man nicht die nun höher bewertete Ziffer eingeben, sondern nur die runtergestufte Dienstziffer. Es macht aber durchaus Sinn, sich die Patienten im Dienst in die Praxis zu bestellen, wenn es nur irgend geht. Man hat in der Praxis deutlich mehr diagnostische und therapeutische Möglichkeiten, kann die Patienten gleich im Computer anlegen und die Scheine ausdrucken, als alles mühsam mit der Hand auszufüllen, und vor allem spart man immens Zeit. Im Schnitt brauche ich für denselben Patienten im Hausbesuch 2-3mal solange wie in der Praxis. Man muss hinfahren, dann muss man die Adresse erstmal finden (es ist erstaunlich, wie viele Leute weder eine Hausnummer noch ein Namensschild haben), dann muss man den Patienten finden, einen Ort in der Wohnung finden, wo man die Untersuchung durchführen kann, dann dauert alles länger, weil alles beengt ist und man nicht alles mithat. Oft kommen dann noch Angehörige auf einen zu, die auch mal "nur schnell" eine Frage haben, wenn der Arzt nun mal gerade da ist und und und.
Ganz abgesehen von der doch oft vorkommenden olfaktorischen und akustischen Belästigung, wenn weder eingesehen wird, warum der Fernseher ausgeschaltet werden, noch das Rauchen eingestellt werden sollte. In der Praxis ist das alles viel einfacher. Doch durch die Neuregelung der EBM-Ziffern lohnt es sich praktisch nicht mehr, noch Patienten in die Praxis zu bestellen. Nun kann ich mir die Karten legen: Bestelle ich doch weiter in die Praxis, was finanziell aber zu deutlichen Verlusten im Vergleich zur vorher führen wird, oder fahre ich nur noch Hausbesuche, was das finanzielle gleich halten würde, aber deutlich mehr Arbeitszeit kostet? So oder so, der Verlierer ist der Arzt, wie fast immer bei EBM-Neuregelungen. Im übrigen: die neuen Nummern kennt unsere Praxissoftware noch gar nicht, das wird wohl erst mit dem nächsten Update kommen...