Wahrscheinlichkeiten sind ja so eine Sache, gerade in der Medizin. Es gibt Statistiken, Wahrscheinlichkeisberechnungen, wie groß die Gefahr ist, als Patient an einer bestimmten Krankheit zu erkranken und dann auch, wie groß die Chance ist, von bestimmten Krankheiten wieder geheilt zu werden.
Leider nützen alle Zahlen, Statistiken und Wahrscheinlichkeiten dem einzelnen Patienten recht wenig, wenn er oder sie eben nicht der Statistik entspricht.
Es gibt ja Zahlen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, im Laufe seines Lebens an einer bestimmten Krankheiten zu erkranken – die sogenannte Lebenszeitprävalenz. Für viele sehr seltene Krankheiten ist diese Zahl sehr gering.
Nichtsdestotrotz gibt es natürlich Erkrankte, die dann „das schlechte Los“ gezogen haben. Als wäre das nicht schon schlimm genug, kommt es manchmal vor, das ein Patient zwei sehr seltene Erkrankungen erleidet.
So haben wir einen Patienten, der neben einem Mesotheliom, einem sehr seltenen und sehr aggressiven Tumor – zumal bei einem völligen Nichtraucher mit keinerlei Asbest-Hintergrund – noch einen anderen, eher seltenen Darmtumor hat.
Heute habe ich den Arztbrief einer jungen Patientin bekommen, bei der neben einer seit Jahren bestehenden chronischen seltenen Lungenerkrankung nun auch noch ein seltenes Lymphom diagnostiziert wurde.
Ein anderer Patient hatte zunächst vor einigen Jahren Brustkrebs überlebt – was bei Männern auch eher selten ist – und nun eine nicht so häufige Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis.
Die Wahrscheinlichkeit bei allen Patienten, beide Erkrankungen im Leben zu erleiden, ist sehr sehr gering. Und trotzdem hat es sie getroffen. Ein bisschen wie ein „schlechter“ Sechser im Lotto.
Es gibt aber auch die andere Seite. Patienten, die der Wahrscheinlichkeit nach schon längst tot oder schwerst krank sein sollten und sich doch immer noch guter Lebensqualität erfreuen.
Ein recht junger Patient mit einem sehr aggressiven, unheilbaren Darmtumor hält sich seit acht Jahren bei gutem Allgemeinzustand und nur geringer Lebensqualitäteinschränkung.
Ein anderer Patient weigert sich seit Jahren, sein Bronchialkarzinom auch nur ansatzweise behandeln zu lassen und erfreut sich auch recht guter Gesundheit. Das sind die Patienten, die auch aller Zahlen und Wahrscheinlichkeiten trotzen.
Meistens sind die Wahrscheinlichkeiten schon korrekt, aber eben nicht immer. Das ist das Spannende an der Medizin: Einerseits arbeitet sie sehr mit rein wissenschaftlichen Methoden, mit Zahlen, Studienergebnissen und harten Fakten, andererseits gibt es immer wieder dieses menschliche Überraschungsmoment. Der Mensch ist eben nicht vollständig berechenbar.