Pilzinfektionen werden häufig unterschätzt, die richtige Diagnose kommt dann zu spät. Besonders gefährlich wird es, wenn sich die Erreger dem Angriff durch Medikamente entziehen. Das zeigen auch die Todesfälle in den USA.
Wenn von gefährlichen Krankheitserregern die Rede ist, dann sind in der Regel Viren oder Bakterien gemeint. Die USA hat zurzeit jedoch mit einem ganz anderen Erreger zu kämpfen, dem Hefepilz Candida auris. Gelangt er in den Blutkreislauf, dann kann eine Infektion lebensgefährlich werden. Dreizehn Fälle zählte die US-Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) zwischen Mai 2013 und Oktober 2016. Mindestens vier der Patienten sind seither gestorben, auch wenn noch nicht klar ist, ob der Pilz auch tatsächlich die Todesursache war. Der Pilz verbreitet sich vor allem in Krankenhäusern, wahrscheinlich über kontaminierte Oberflächen. Momentan sieht es so aus, dass vor allem Menschen gefährdet sind, die kürzlich operiert worden sind, die an Diabetes leiden, mit Antipilzmitteln oder Antibiotika behandelt worden sind oder einen Zentralvenösen Katheter haben. CDC-Direktor Tom Frieden rief angesichts der „neuen Herausforderung“ dazu auf, „jetzt zu handeln, um die Verbreitung des Pilzes besser zu verstehen, einzudämmen und zu stoppen“. Dabei gibt es eigentlich Medikamente, die Pilze wirksam bekämpfen. Das Mittel der Wahl für solche Mykosen sind Antimykotika – Medikamente, die je nach Wirkmechanismus entweder das Pilzwachstum hemmen, oder den Pilz abtöten. Viele C. auris-Pilze sprechen jedoch nicht mehr auf Medikamente an. In einem ersten CDC-Bericht hieß es, 71 Prozent der bei US-Patienten entnommenen Stichproben hätten eine Resistenz gegenüber Arzneimitteln gezeigt.
Es ist nicht das einzige Problem mit Candida auris. Auch der Nachweis ist schwer. Zwar finden sich Pilzsporen in den Ohren oder im Urin, aber nur mit Hilfe spezieller Ausrüstung. Viele Labore, die mit Standardmethoden arbeiten, können den Pilz gar nicht aufspüren. Die erste Infektion, von der Wissenschaftler wissen, ereignete sich vor zwanzig Jahren in Südkorea. Seitdem haben verschiedene Länder der Welt Krankheitsfälle gemeldet. Berichte kamen unter anderem aus Japan, Indien, Südafrika, Venezuela, Israel, Kolumbien und Großbritannien. Für Deutschland geht das nationale Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen (NRZMyk) davon aus, dass Infektionen durch C. auris „eine Rarität darstellen.“ Doch es gibt andere Pilze, die auch hier regelmäßig für Probleme sorgen. Zwar sind die meisten der weltweit rund zwei Milliarden Pilzerkrankungen eher lästig als gefährlich. Aber es gibt auch die weniger harmlose Infektionen, wie Forscher um Gordon Brown von der University of Aberdeen in Schottland 2012 im Fachmagazin Science Translational Medicine schrieben. Nach ihren Schätzungen sterben jedes Jahr 500.000 bis 1,5 Millionen Menschen an Pilzinfektionen. Die gefährlichsten Arten sind Kryptokokken, Candida, Gießkannenschimmel und Pneumocystis. Rund 90 Prozent aller Todesfälle gehen auf ihr Konto.
Die Kryptokokkose, die eine Gehirnhautentzündung auslösen kann, betrifft nach der Studie jedes Jahr mehr als eine Million Menschen, je nach Region endet sie für 20 bis 70 Prozent von ihnen tödlich. Die Lungenentzündung Pneumocystis tötet 20 bis 80 Prozent der jährlich mehr als 400.000 Betroffenen. Mehr als 400.000 Menschen erleiden eine Kandidose, eine Infektion durch einen der verschiedenen Candida-Pilze, 46 bis 75 Prozent überleben sie nicht. In Deutschland verursacht vor allem Candida albicans schwere Infektionen. An der vom Gießkannenschimmel verursachten Aspergillose erkranken jährlich mehr als 200.000 Menschen. Bahnt sich der Pilz seinen Weg ins Blut, kann er das Herz, den Magen-Darm-Trakt oder das Nervensystem befallen. 30 bis 95 Prozent sterben an der Infektion. Ob C. auris gefährlicher ist als andere Pilze, lässt sich noch nicht sagen, bislang sind etwa 60 Prozent der infizierten Patienten gestorben. Die Verbreitung von HIV und Aids, der zunehmende Einsatz von Medikamenten, die das Immunsystem unterdrücken, Antibiotikabehandlungen oder medizinische Eingriffe machen es den unterschiedlichen Pilzen leicht, die Abwehr des Menschen zu überwinden. Doch trotz der hohen Todeszahlen haben die meisten Länder nicht einmal eine Überwachung von Pilzerkrankungen. Außerdem fehlt es an Forschung zu neuen Medikamenten. Während für Bakterien fast zwanzig verschiedene Klassen von Antibiotika zur Verfügung stehen, sind es bei den Antimykotika nur vier. Hinzu kommt, dass Forscher nicht nur bei Candida auris auf Abwehrmechanismen gegen Therapiewirkstoffe stoßen. Auch viele andere Arten werden zunehmend resistent. Besorgniserregend sei vor allem die zunehmende Echinocandinresistenz bei Candida-Arten, sowie die Azolresistenz bei Aspergillus, heißt es beim Resistenzbericht 2015 der Paul-Ehrlich-Gesellschaft und dem nationalen Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.
Die Medizin stellen solche Pilze vor eine echte Herausforderung. Doch es gibt auch Pilze, die zu unrecht gefürchtet werden. Immer wieder hört man Behauptungen, Hefepilze im Darm lösen zahlreiche Erkrankungen, wie Depressionen oder Migräne aus. Und wer Zucker isst, würde den Candida-Pilz im Darm „füttern“. Helfen sollen daher eine Anti-Pilz-Diät und Darmspülungen. Die Wahrheit ist: Candida lebt bei etwa jedem zweiten gesunden Mitteleuropäer in friedlicher Koexistenz im Darm. Nur weil sich ein Pilz nachweisen lässt, heißt das nicht, dass es eine behandlungsbedürftige Infektion gibt. Eine ausgewogene Ernährung ist immer sinnvoll, für spezielle Diäten oder Spülungen gibt es dagegen keine Evidenz. Der ehemalige Arzt und Geschäftsmann Tullio Simoncini hält Candida-Pilze sogar für die Ursache von Tumoren und empfiehlt Krebskranken, Natron einzunehmen. Diese These ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht nur Quatsch. Simoncinis Empfehlung kann für Patienten auch sehr gefährlich werden. Nachdem es zu Todesfällen nach einer Bikarbonattherapie bei Krebs kam, wurde er verklagt. Er verlor seine Approbation und wurde nach Medienhinweisen wegen Betrugs und Totschlags verurteilt. Trotzdem soll es noch immer zu Todesfällen in Zusammenhang mit der Therapie zu kommen.