Am 15. Oktober 2015 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in Berlin seinen abschließenden Beschluss im Nutzenbewertungsverfahren zum neuen Antidepressivum Vortioxetin veröffentlicht. Der G-BA hat sich der Bewertung des IQWiG angeschlossen, dass Vortioxetin gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie, der Gruppe der selektiven Serotonin-Rückaufnahmehemmer (SSRI), keinen Zusatznutzen aufweist.
Der Beschluss kann hier heruntergeladen werden, die Begründung des Beschlusses findet sich hier. Auch das Wortprotokoll der Anhörung beim G-BA am 8. September 2015 ist im Volltext verfügbar. Die aktuelle Fachinformation zu Vortioxetin findet sich auf den Seiten der Europäischen Arzneimittelbehörde (European Medicines Agency, EMA).
Das IQWiG hatte zuletzt noch neue Daten bewertet, die von dem pharmazeutischen Unternehmer (Lundbeck) vorgelegt worden waren. Aber auch die neuen Daten zum Vergleich von Vortioxetin mit Escitalopram wurden vom IQWiG als nicht geeignet für eine Nutzenbewertung betrachtet. Diese Bewertung findet sich hier. Interessant ist es, sich die Begründung des G-BA für seinen Beschluss im Detail anzusehen. Darin wird zum Beispiel begründet, warum man die SNRI Duloxetin und Venlafaxin nicht als zweckmäßige Vergleichstherapien betrachtet. So heißt es dort: „Die als Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) bezeichneten Wirkstoffe Duloxetin und Venlafaxin werden nicht als zweckmäßige Therapie für die überwiegende Mehrheit der vom Anwendungsgebiet umfassten Patienten eingestuft. Die SNRI stellen aufgrund zusätzlicher Risiken eine sekundäre Therapieoption für einzelne Patienten dar. Bezogen auf die Therapieziele ergeben sich in der ambulanten Akuttherapie der Depression keine Vorteile für Duloxetin gegenüber der Klasse der SSRI. Zudem zeigt sich für Duloxetin im Vergleich zu den SSRI ein Nachteil bezüglich der Gesamtrate unerwünschter Ereignisse sowie bei den Abbruchraten aufgrund unerwünschter Ereignisse. Für Venlafaxin zeigt sich in der ambulanten Therapie zwar ein Vorteil im Vergleich zu den SSRI für den Morbiditätsendpunkt ‚Ansprechen‘. Jedoch scheint dies eher für Patienten mit höherem Schweregrad der Depression als für Patienten mit niedrigerem Schweregrad zu gelten. Im Vergleich zu SSRI besteht dagegen ein Nachteil hinsichtlich der Gesamtrate unerwünschter Ereignisse und der Therapieabbrüche wegen unerwünschter Ereignisse.“
Besonders interessant ist auch die Bewertung von Agomelatin: „Agomelatin wird aufgrund der uneinheitlichen Datenlage mit Hinweisen auf eine Unterlegenheit gegenüber den SSRI in der Wirksamkeit bei der Akuttherapie nicht als geeignete zweckmäßige Vergleichstherapie bewertet.“
Das Nutzenbewertungsverfahren wurde mit der Vorlage des Nutzenbewertungsdossiers durch Lundbeck am 1. Mai 2015 begonnen. Da der Preis eines neuen Arzneimittels im ersten Jahr nach der Markteinführung frei festgelegt werden kann, muss nun in den Preisverhandlungen zwischen Hersteller und Kostenträgern bis zum 30. April 2016 ein Preis ausgehandelt werden, zu dem Vortioxetin dann anschließend verfügbar sein wird. In seinem Beschluss hat der G-BA die Preise der zweckmäßigen Vergleichstherapien den aktuellen Preisen von Vortioxetin gegenübergestellt. Alle Vergleichstherapien sind als Generika verfügbar, für sie sind Festbeträge festgelegt. Es gelten derzeit die folgenden Preise (Preis für je eine Tablette, gerundet, ohne Rabatte):
Der Preis für die niedrigste Dosis Vortioxetin (5 mg) beträgt gegenwärtig € 1,07, für die höchste Dosis (20 mg) € 3,96. Damit liegt der Preis für Vortioxetin auf dem Niveau des anderen in Deutschland noch patentgeschützten Antidepressivums Agomelatin, aber etwa 7-mal höher als das Preisniveau der SSRI, wenn man 10 mg Vortioxetin als einer Dosis von 20 mg Citalopram äquivalent betrachtet (etwa 3,5-mal höher, wenn man 5 mg Vortioxetin als die niedrigste Erhaltungsdosis betrachtet). Nun darf man gespannt sein, auf welchen Preis man sich einigen wird. Ein Preis auf dem Niveau eines generisch verfügbaren SSRI ist für Lundbeck ganz sicher nicht akzeptabel, da sich der Preis in anderen Ländern der EU an dem Preis in Deutschland orientiert.
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