Die in Deutschland ausgebildete, für relativ kurze Zeit anwesende Ärztin trifft in ihrem Einsatz auf vor Ort ausgebildete Fachkräfte, die ihren eigenen Erfahrungsschatz respektiert sehen möchten. Was sich nicht immer konfliktfrei gestaltet.
Das „orthopedic department“, drei selbstbewusste, hoch motivierte und gutaussehende junge Männer mit medizintechnischer Ausbildung, versorgt vor allem die Chirurgie mit Gipsen aller Art, Extensionen, Lagerungsschienen und dergleichen mehr. Sie sind immer sofort zur Stelle, wenn man sie ruft, gut ausgerüstet und handwerklich geschickt, wobei sie auch gut Hand in Hand arbeiten.
Zuweilen führen die drei allerdings ein buntes Eigenleben, was die Gestaltung der Therapeutika angeht. In Deutschland ist man als Arzt gewohnt, gefragt zu werden, wie der Gips aussehen soll und hinterher zu kontrollieren, wie er geworden ist. Auch werden verschobene Knochen von Ärzten gerichtet. Hier sind die Department-Herren dafür zuständig und haben ihre durchaus fest gefügten Ansichten, an denen nicht so schnell zu rütteln ist. Was auch verständlich ist, wenn man bedenkt, wie oft die ausländischen Ärzte wechseln.
Kürzlich nahm mich der einheimische Kollege aus der Chirurgie zur Seite und meinte, ich hätte die orthopedic guys beleidigt. Was war passiert? Eine Patientin mit verschobener Fingerfraktur war von mir in der Ambulanz gesehen worden und ich hatte auf der Anordnung notiert, ich würde gerne dazu gerufen werden, falls die Herren nicht das ganze Programm, sowohl Lokalanästhesie als auch Reposition als auch Gipsen übernehmen wollten.
Insgeheim hatte ich gehofft, wir könnten das Projekt gemeinsam angehen, doch nein, die orthopedic guys zeigten sich hochgradig verletzt, weil ich unterstellt hätte, sie wollten eine Arbeit eventuell nicht übernehmen. Es brauchte einiges an „Säuselmeier“ und Honig, um das wieder zurechtzurücken und sie meiner Wertschätzung zu versichern.
Ehrlich gesagt war ich mir nicht sicher, ob die Methode, dass ein bestimmter Winkel im Gips den Bruch gerade zieht, hier auch bekannt ist. Vermutlich traf diese verhaltene Spur von Misstrauen auf eine Vorgeschichte von vielen schlechten Erfahrungen mit ausländischen Ärzten, sodass die Reaktion einige Grade zu heftig ausfiel. Ein zu anderer Gelegenheit bestellter Rucksackverband bei verletztem Schlüsselbein erwies sich eine Woche später als große Überraschung: die Jungs hatten eine Art Gipskorsett konstruiert, eindrücklich und formschön, aber völlig starr - das ich beschloss, unkommentiert zu lassen. Der Patient, ein wichtiger Herr im Dorf, war stolz auf das eindrückliche, aber eigentlich viel zu große und umfangreiche Konstrukt.
Ein unkomplizierter Oberarmschaftbruch auf Station (kombiniert mit einer vereiterten Unterschenkelfraktur, deshalb stationär) erwies sich allerdings als Projekt zum Zähne ausbeißen. Nachdem ich es vorsichtig durchgesetzt hatte, dass der schwere, große, unnötigerweise beide Gelenke umschließende Gips mit einer Art starrem, das Schultergelenk umgebenden Puffärmelaufbau einem leichteren, die angrenzenden Gelenke freilassenden Gips mit ordentlicher Armschlinge gewichen ist, sehe ich bei der nach 2 Wochen folgenden Samstagsvisite, dass der Patient schon wieder einen schweren 2-Gelenk-Puffärmelgips hat.
Frage an die orthopdic guys, warum der erneute Wechsel? Der Patient meinte, erklären diese mir, es knirsche, wenn er den Arm bewegt. Der chirurgische Kollege mag auch nicht streiten. Mein zum Thema erwähntes Buch mit aktuellen Gipsmethoden ist ebenfalls nicht erwünscht, es gibt bereits Bücher (welchen Alters?), die konsultiert werden. In diesem Fall beschließe ich, nichts mehr zu diesem Thema zu sagen. Ich hoffe nur, man gewöhnt sich nicht ans Resignieren und kommt träge und konfliktunfähig wieder nachhause. Was sagt mir die Oberschwester eine Woche später? Ich solle mich den Gegebenheiten anpassen. Die Ortho-guys hätten nur mir zuliebe diesen leichten Gips gemacht, um nett zu mir zu sein. Verkehrte Welt. Ging es nicht darum, den Gips anzubringen, der maximal heilungsfördernd ist? Diese Sichtweise scheint nicht immer unberücksichtigt, was die aktuellen Ergebnisse angeht.
Bildquelle (Außenseite): Ted Eytan, flickr / CC by-sa