Einkaufsstress-2: Einkaufsstress oder Shopping für die Seele? Alles eine Frage der Einstellung? Emotionen, Bedürfnisbefriedigung und Werbung beeinflussen unser Kaufverhalten. Wenn Einkaufen süchtig macht. Nächste Woche: 3. Teil - Wenn Einkaufen zum Alptraum wird.
Shoppen scheint uns weit mehr Vergnügen zu bereiten als gewöhnliches Einkaufen, welches zu unserem Lebensunterhalt dient.
Shoppen macht Spaß. Shoppen ist Freizeitbeschäftigung. Shoppen ist spannend. Shoppen ist entspannend. Shoppen bedeutet Gewinn. Shoppen ist Luxus und Freiheit. Shoppen für die Seele?…
Was ist der Unterschied zwischen Einkaufen und Shoppen? Und warum empfinden wir beim Einkaufen Stress, während wir beim Shoppen regelrecht aufblühen?
Was wir über unseren Einkauf denken oder was wir dabei erleben, beeinflusst unser Empfinden und bereitet uns positiven oder negativen Stress. Während unser normaler Feierabend-, oder Wochenend-Einkauf oft in Distress ausartet, sieht es beim Shopping ganz anders aus. Hier wird das Belohnungssystem in unserem Gehirn aktiviert und Unmengen an Freudehormonen ausgeschüttet. Wir fühlen uns wohl und bereichert, besonders dann, wenn wir das Gefühl haben, ein Super-Schnäppchen gemacht zu haben. Das kann durchaus auch bei einem Lebensmitteleinkauf der Fall sein. Schnäppchen-JägerInnen erleben Glücksgefühle, wenn sie das Gefühl haben, etwas wirklich Gutes und Günstiges ergattert zu haben. Und genauso schnell macht sich Frustration breit, wenn sie nicht das bekommen haben, was sie wollten oder noch schlimmer, wenn sie gar nichts mitnehmen konnten.
Ein normaler Einkauf geht bei vielen oft mit einem Verlustgefühl einher. Wir müssen unser sauer verdientes Geld hergeben für die paar Teile, die morgen schon wieder aufgebraucht sind. Verlust bedeutet für unser Gehirn "Schmerz". Schmerz wollen wir nicht erleben und versuchen ihn daher zu vermeiden. Lieber nicht so viel Geld ausgeben… lieber behalten, was man hat. Das bedeutet aber auch, dass man sich den einen oder anderen Wunsch versagt. Und das führt wiederum zu Frustration. Wer oft Frust hat, weil er vielleicht jeden Cent zweimal umdrehen muss, schadet auf Dauer seiner Gesundheit. Dauerfrust → Dauerstress → krank!
Beim Shopping fühlen wir uns bereichert. Wir haben Beute gemacht. Wir haben etwas bekommen für unser Geld. Wir haben unsere Wünsche erfüllt.
Vielleicht hast du längst gemerkt, dass unsere Gedanken uns hier einen Streich spielen. Unsere Denkweise beeinflusst, was wir fühlen. Wenn du denkst, du hast für dein Geld nichts bekommen, fühlst du dich schlecht und hast Stress, weil du genau weißt, du musst morgen wieder Geld ausgeben, ohne etwas dafür zu bekommen. Und das Tag für Tag, Monat für Monat.
Wenn du der Meinung bist, für dein Geld etwas Wertvolles erhalten zu haben, etwas das du gebrauchen kannst oder das dich erfreut, sieht die Sache ganz anders aus, nicht wahr? Du fühlst dich super, jedenfalls so lange, bis dein schlechtes Gewissen dir sagt: "Das hätte jetzt aber auch nicht sein müssen…". Oder bis du der Meinung bist, dich mal wieder belohnen zu müssen…
Vorsicht, hier besteht Suchtgefahr! Wer ständig shoppen muss, um sich gut zu fühlen, kompensiert damit einen unbewussten psychischen Konflikt, eine Leere, die ausgefüllt wird mit Handtaschen, Schuhen, Akkuschraubern, Videospielen oder sonstigem Schnickschnack.
Wir kaufen zu über 90% aus emotionaler Motivation. Diese emotionale Kaufentscheidung rechtfertigen wir dann mit rationalen Begründungen. Wir kaufen, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Abraham Maslow hat die Motive menschlichen Handelns hierarchisch in fünf Grundmotivationen unterteilt.
1. Befriedigung körperlicher Bedürfnisse: Essen, Trinken, Schlaf, Kleidung, Gesundheit, Sexualität
2. Befriedigung unseres Sicherheitsgefühls: Das Gefühl, in sicheren Verhältnissen zu leben, sichere Wohnung, sicherer Arbeitsplatz etc.
3. Befriedigung unseres Bedürfnisses nach sozialen Beziehungen: Familie, Partnerschaft, Freunde, Kollegen, das Gefühl, gebraucht zu werden
4. Befriedigung unseres Bedürfnisses nach sozialer Anerkennung: Streben nach Wohlstand, Karriere, Macht, Statussymbole, Ruhm bzw. Auszeichnungen
5. Befriedigung unseres Bedürfnisses nach Selbstverwirklichung: Entfaltung unserer Individualität, Lebenssinn, Werte, Glauben, Religion, Spiritualität
Das viel beachtete, neuere Züricher Modell der sozialen Motivation von Norbert Bischof unterscheidet hingegen nur drei Motivsysteme des Menschen:
1. Sicherheit Hierunter werden alle Motive zusammengefasst, die die Absicherung der Existenz, des Lebens und der Sicherheit uns nahestehender Menschen betreffen.
2. Erregung Hierunter fallen alle Motive, die sich auf Stimulanz beziehen, z. B. das Streben nach Abwechslung, nach Abenteuer, neuen Erfahrungen etc.
2. Autonomie Hier werden Motive vereint, die mit Leistung, Kontrolle, Durchsetzung zu tun haben, z. B. das Streben nach Unabhängigkeit, nach Geltung, Macht und Einfluss.
Das Wissen darum, dass jedes menschliche Handeln durch innere Motivationen gesteuert wird, gibt der Werbeindustrie wichtige Hinweise für die konkrete Gestaltung ihrer Werbung. Hinzu kommen Erkenntnisse aus der modernen Gehirnforschung. Neuromarketing heißt hier das Zauberwort.
Früher wurde die Werbung positiv gestaltet. Wir sollten uns wohlfühlen, wenn wir die Anzeige oder den Spot im Fernsehen angeschaut haben. Eine angenehme Melodie wurde hinterlegt, eine nette Szene gezeigt, die einerseits den Nutzen des Produktes herausstellte und uns andererseits ein Gefühl von mehr Lebensqualität vermitteln sollte.
Vielleicht kennst du noch die Marlboro-Werbung, die dem Konsumenten ein Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit suggerierte? Oder die Spots von Coca-Cola, die für Lebensfreude, Spaß und Genuss standen.
Heute weiß man: Nicht nur positiv präsentierte, auch negative Werbung bleibt beim Konsumenten hängen. Dabei gilt: je nerviger desto besser. Das Brüllen des Werbetextes (speziell in der Radiowerbung), aggressive Hintergrundmusik und die vielfache Wiederholung des Schlagwortes innerhalb kürzester Zeit führen dazu, dass sich der Werbespot so richtig in unsere Nervenbahnen hineindreht. Das ist ähnlich wie bei einem Ohrwurm, den kriegst du so schnell auch nicht mehr aus dem Kopf.
Ob wir positive oder negative Werbung sehen… ob wir mit dem Einkauf unsere Grundbedürfnisse befriedigen oder shoppen, um ein Glücksgefühl zu haben – hinter jedem Kauf steckt eine Motivation.
Wenn wir uns bewusst werden, wer oder was unsere Kaufentscheidungen beeinflusst, können wir uns nicht nur vor den Tricks der Werbeindustrie, sondern auch vor gefährlichen Lust- und Frustkäufen schützen. Die Betonung liegt hier auf "gefährlich". Denn ein gelegentlicher Lust- oder auch Frustkauf schadet nicht, solange er im Rahmen bleibt. Den allerdings musst du selbst festlegen.
Mach dir deine Einstellungen und Glaubenssätze übers Einkaufen bewusst. Finde heraus, was genau dir Einkaufsstress bereitet. Sind es die 17 verschiedenen Sorten Ketchup, die dich wuschig machen? Ist es die lange Schlange an der Kasse?
Ist es die Feststellung, dass diese spezielle Handtasche oder Bohrmaschine leider ausverkauft ist und du heute "leer" ausgehst?
Oder ist es die Vermutung, für dein Geld nicht genug bekommen zu haben? In diesem Fall ist es ratsam, dir eine wertschätzendere Einstellung anzueignen, wenn du Dauerfrust vermeiden willst.
Die Checkliste Einkaufsstress hilft dir, deine Stressfaktoren beim Einkaufen zu identifizieren. Hier downloaden: Checkliste Einkaufsstress
In der nächsten Woche:3. und letzter Teil der Einkaufsstress-Reihe: "Wenn Shoppen zum Alptraum wird"