Diese Frage kam vor ein paar Tagen auf Facebook bei einer anderen Apothekerin auf:
Scheinbar gesunde Frau kommt mit Rezept über Cefuroxim 500 12 Tbl.
”Soll es für die Blase sein?” frage ich.
“Nein, meine Beine sind so schlapp. Ich habe einen grippalen Infekt.” antwortet die Frau.
“Haben Sie auch Fieber oder andere Beschwerden?”
“Nein, nur müde Beine.”
Ich bin jetzt echt sprachlos, was soll man da Beraten?????? “Der Doktor hat Ihnen großen Mist aufgeschrieben. Ich empfehle Ihnen ….. “ geht ja nun auch nicht.
…
Kleine Erklärung vorneweg für medizinische Laien: Cefuroxim ist ein Breitband-Antibiotikum. Es wirkt gegen Infektionen mit Bakterien. Gegen Viren wie bei den meisten Erkältungen nützen sie auch gar nichts. Es sollte nur eingesetzt werden, falls wirklich nötig – und nach Möglichkeit auch spezifisch gegen empfindliche Bakterien. Der Grund dafür ist auch, dass sich Resistenzen bilden können – dann wirkt das Antibiotikum irgendwann nicht mehr. Als Antibiotikum hat es auch klassische Nebenwirkungen, da es häufig nicht nur die Bakterien kaputt macht, die es bekämpfen soll, sondern auch die, die nützlich für uns sind – zum Beispiel im Darm. Darum gibt es häufig Durchfall. Oder die in der Vaginalflora, darum gibt das nach Antibiotikumgabe gelegentlich Pilzinfektionen dort. In keiner Packungsbeilage wird sich aber finden, dass das gegen müde Beine wirkt. Und vom Wirkmechanismus her ist es auch nicht „off label“ dafür sinnvoll einzusetzen.
Also zurück zum Fall: Der Arzt verschreibt etwas, das keinen Sinn macht / nicht für diese Anwendung zugelassen ist … und in der Apotheke wird das bemerkt. Da gäbe es noch mehr Beispiele: Hustenmittel, obwohl kein Husten vorhanden, sondern nur Halsschmerzen, Tamsulosin (Mittel gegen benigne Prostatahyperplasie) bei einer Frau oder Silbertraubenkerzenextrakt (Mittel in der Menopause) bei einem Mann …
Wie soll man reagieren?
Man will ja nicht den Patienten gegen den Arzt aufhetzen. Oder den Arzt gegen die Apotheke aufbringen. … das spiegelt sich dann in Kommentaren der Apotheker wieder wie:
Den Doc muß ich dafür nicht anrufen. Der meint das schon ernst.
Und der Arzt blafft einen dann an “Ich hab mir schon was bei der Verschreibung gedacht”…. Danke für das nette Gespräch!
Ja, der Arzt hat das Verschreibungsrecht. Ja, er hat sich dabei wahrscheinlich etwas gedacht. Es gibt so etwas wie “off label use” – das Tamsulosin zum Beispiel wird gelegentlich bei Harnsteinen auch bei Frauen eingesetzt, damit die besser abgehen. Vielleicht hat er auch nur etwas aufgeschrieben, weil der Patient unbedingt etwas wollte – und es einfach nichts gescheites gibt. Dann ist das wohl eine Art modernes Placebo.
Aber ich finde in so einem Fall, wo auffällt, dass Medikament und für was es wirken soll (die Indikation) einfach nicht zusammenpassen, da sollte die Apotheke den Arzt anrufen und nachfragen. Dafür sind die Apotheken da. Wir sind nicht nur Medikamentendispenser, wir sind medizinische Fachpersonen und unsere Aufgabe ist es sicher zu stellen, dass das richtige Medikament beim richtigen Patient landet und richtig angewendet wird. Das 4 Augen Prinzip hat seinen Grund.
Und ich finde, wenn der Arzt sich dabei was gedacht hat – dann kann er uns das „was“ ja auch sagen. Oder?
Das ist meine Meinung. Aber jetzt hätte ich gerne Eure Meinung dazu – in 3 kleinen Umfragen:
Eine für Apotheker / PTA / Pharmaassistentinnen und Eine für Patienten
hier: http://pharmama.ch/2015/05/11/ist-das-das-richtige/
und
Eine für Ärzte (was empfindet ihr dabei): hier abstimmen:
http://pharmama.ch/2015/05/11/wie-empfindet-das-der-arzt/
Abstimmen noch bis nächsten Montag möglich.