Ein kleines, abgelegenes Dorfkrankenhaus im kargen Ostafrika. Die Chirurgie, knapp besetzt, die Menschen der Region: wurzelnd in ihrer jahrtausendealten Tradition, erdig, mager, und sehr tapfer. Die Chirurgin, auf der Suche nach einem Weg, die ärztlichen Tugenden auch dort zu praktizieren: to heal - seldom. to relief - often. to comfort - always.
Eine Schussverletzung am Oberarm, glatt durchschossen mit heilem Knochen.
Eine Schussverletzung am Unterschenkel, beide Knochen zertrümmert.
Ein Pfeil, der im 5. Lendenwirbelkoerper steckt.
Ein Oberarmdurchschuss mit Trümmerfraktur und Nervenschaden.
Ein Bauchschuss mit Leberverletzung, 2 Tage alt, der Patient hat einen Hb von 2,9, unterhält sich aber noch mit uns.
Ein Kind mit Abszess am Popo.
Ein Baby mit großen Warzen im Gesicht.
Eine Frau mit tagelang verschlepptem Brustabszess.
Ein chronischer Blinddarm, der sich als tuberkulös erweist.
Freitag, "the day of the warrior"? Eigentlich nichts neues, da bekannt ist, dass man sich hier gegenseitig Vieh stiehlt und dabei mit Schusswaffen unterwegs ist, aber in dieser Frequenz dann doch.
Ich höre, dass es hier eine Tugend sei, seine Gefühle nicht zu zeigen. Tatsächlich ist es auch nicht erwünscht, dass man seine Schmerzen äußert, da wird schonmal ein Patient im OP zusammengestaucht, wenn er sich bewegt, weil ihm etwas arg wehtut. Anscheinend sind die Menschen hier aber auch nicht frei von emotionalen Wallungen, wenn man sich so anschaut, wie verprügelt, angeschossen und anderweitig verletzt wird. Wenn ich im OP über die Trümmer in einer Schusswunde seufze und denke, es ätzt mich an, so oft nur die Zerstörtung begrenzen zu können und nicht zu wissen, wo anfangen, stehe ich alleine damit da. Es sagt keiner was dazu. Es wird auch nicht kommentiert, dass etwas schlimm sei oder man mit dem Opfer fühlen würde...
Dann, später, kommt noch eine 26-jährige, attraktive Frau mit Kniedurchschuss an. Die Kniescheibe liegt in Trümmern, vom Oberschenkelknochen ist ein Stück abgesprungen. Wir hören, dass sie am selben Tag, eine halbe Stunde später, als wir dort waren, in der nahen Stadt in der Einkaufsstrasse von einem Polizisten getroffen wurde, der eigentlich einem flüchtigen Gefangenen Einhalt gebieten wollte.
Trockener Kommentar der südeuropäischen Kollegin: man sollte vielleicht besser zuhause bleiben.