Eine wichtige Studie zur Frage der Assoziation von Psychoserisiko und Cannabiskonsum haben in der März-Ausgabe des Lancet Psychiatry Marta di Forti und Kollegen vom Institute of Psychiatry in London, einer der weltweit renommiertesten Einrichtungen der Schizophrenieforschung, veröffentlicht (Lancet Psychiatry 2015; 2: 233-238).
Darin kommen sie zu dem Ergebnis, dass der Gebrauch von hochpotentem Cannabis („Skunk“) ein sehr bedeutsamer Risikofaktor für die Entwicklung einer Psychose ist.
di Forti und Kollegen befragten 410 Patienten mit der ersten Episode einer Schizophrenie zu ihren Cannabis-Konsummustern. Dazu gehörten das Alter des ersten Konsums vor dem 15. Geburtstag oder danach), die Häufigkeit des Konsums (niemals, weniger als einmal pro Woche, an Wochenenden, täglich) und die Art des Cannabis-Typs (Haschisch oder Skunk). Skunk hat einen Anteil von Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC) von etwa 15%, und die Konzentration von Cannabidiol, dem man antipsychotische Eigenschaften zuschreibt, beträgt weniger als 0,1%. Demgegenüber hat Haschisch einen THC-Anteil von nur etwa 5%, und die Konzentration von Cannabidiol beträgt etwa 4%. Der Konsum von Skunk hat in den letzten zehn Jahren in Süd-London immer mehr zugenommen. Parallel dazu nahm auch die Zahl der Neuerkrankungen an Schizophrenie zu, und Süd-London ist heute eine der Regionen mit der höchsten Zahl von Neuerkrankungen an Schizophrenien in Großbritannien.
Als Kontrollgruppe zur Gruppe der ersterkrankten Patienten mit einer schizophrenen Störung diente eine Gruppe von Personen, die mit Anzeigen und Ausschreibungen im Internet und in Zeitungen rekrutiert wurden. In diesen Anzeigen war weder von Cannabis noch von Konsum illegaler Drogen die Rede. Wenn die Kontrollpersonen im Rahmen der Diagnostik psychotische Symptome aufwiesen oder über eine psychotische Episode in der Vergangenheit berichteten, wurden sie von der Studie ausgeschlossen. Andernfalls wurden sie, wie die Patienten, zu ihren Cannabis-Konsumgewohnheiten befragt. 370 Kontrollprobanden wurden rekrutiert.
Der Anteil der Cannabiskonsumenten war in den beiden Gruppen nicht signifikant voneinander verschieden. 67% der Patienten, aber auch 63% der Kontrollprobanden, gaben an, irgendwann in der Vergangenheit einmal Cannabis konsumiert zu haben. Bei den Cannabiskonsumenten war auch die Dauer des Cannabiskonsums in den beiden Gruppen nicht verschieden (im Mittel 9,7 versus 9,1 Jahre). Während das durchschnittliche Alter des ersten Konsums auch nicht statistisch signifikant voneinander abwich (16,1 Jahre in der Patientengruppe, 16,6 Jahre in der Kontrollgruppe), so war der Anteil der Personen, die den Cannabis-Konsum vor dem 15. Lebensjahr begonnen hatten, in der Patientengruppe signifikant höher (36% versus 23% in der Kontrollgruppe).
Die Häufigkeit des Konsums variierte beträchtlich zwischen den beiden Gruppen: In der Gruppe der ersterkrankten Patienten gaben 17% an, Cannabis weniger als einmal pro Woche zu konsumieren, 20% konsumierten an Wochenenden, 30% aber konsumierten täglich oder fast täglich. Deutlich seltener konsumierten die Kontrollprobanden: 11% konsumierten täglich, 17% an Wochenenden, 35% weniger als einmal in der Woche.
Die bedeutsamsten Unterschiede fanden sich jedoch hinsichtlich des Cannabis-Typs: Während in der Patientengruppe 53% Skunk konsumierten, waren dies nur 19% in der Kontrollgruppe. Aus diesen Zahlen errechnen die Forscher eine Erhöhung des Risikos, an einer schizophrenen Psychose zu erkranken, um 55% bei Beginn des Konsums vor dem 15. Lebensjahr, eine Verdreifachung des Risikos (plus 204%) bei täglichem Cannabiskonsum (keine Erhöhung des Risikos bei Konsum nur an Wochenenden oder seltener) und fast eine Verdreifachung (plus 191%) bei Konsum von Skunk (keine Erhöhung des Risikos bei Konsum von Haschisch). Wenn die Autoren die beiden Faktoren Häufigkeit des Konsums und Typ des Cannabis zu einem Faktor verbanden, errechneten sich die folgenden Risiken:
Skunk jeden Tag: 5,4fache Erhöhung des Risikos
Skunk an Wochenenden: 2,7fache Erhöhung des Risikos
Skunk weniger als einmal pro Woche: 1,9fache Erhöhung des Risikos (nicht sign.)
Haschisch täglich: keine Risikoerhöhung
Damit legt die Studie nahe, dass der THC-Gehalt von Cannabis ein bedeutsamerer Risikofaktor für die Entwicklung einer Schizophrenie ist als die Häufigkeit des Cannabiskonsums. Dies ist ein wichtiger Beitrag in der gegenwärtigen Cannabis-Legalisierungs-Debatte.
Die Publikation kann im Volltext hier herunter geladen werden. Tom Freeman hat dazu in der gleichen Ausgabe des Lancet Psychiatry ein Editorial verfasst, das ebenfalls im Volltext hier verfügbar ist.
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