Weltweit verspeisen rund zwei Milliarden Menschen regelmäßig Raupen, Käfer oder Heuschrecken. Nun gibt es auch hierzulande Produkte wie Pasta aus Insektenmehl und Granola aus gemahlenen Buffalowürmern. Wie gesund ist das? Und schmeckt das überhaupt? Ein Selbstversuch.
„Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht“, so sagt es ein Sprichwort aus früheren Zeiten, das mir beim Selbstversuch mit insektenhaltigen Lebensmitteln durch den Kopf schießt. Im Handel können Interessierte zwischen Produkten mit Heuschrecken, Grillen, Mehl- und Buffalowürmern, Fusilli aus Insektenmehl, Insekten-Granola für das Frühstück oder Süßigkeiten wählen. © Plumentofoods Ich starte mit Insektenpasta, da ist die Überwindung recht gering, und muss gestehen, dass ich unter verblindeten Testbedingunge keinen Unterschied bemerkt hätte. Die Nudeln schmecken wie gewöhnliche italienische Produkte. Vor allem bei der klassischen Zubereitung mit Soße und Käse fällt das Insektenmehl geschmacklich nicht auf. Insektenschokolade mit sichtbaren Würmern ist schon gewöhnungsbedürftiger. Und bei getrockneten Heuschecken stellt sich bei mir sofort der westeuropäisch geprägte „Igitt-Effekt“ ein. Aber was soll’s, rein damit. Die getrockneten Heuschrecken haben meiner Meinung nach irgendwie gar keinen Geschmack. Sie sind ein bisschen wie ungewürzte Chips, irgendwie fad auf der Zunge, fast ein wenig muffig. Kein Wunder, dass Insekten bei uns derzeit eher ein proteinreicher Zusatz von Fertigprodukten sind.
Immerhin bin ich mit meiner skeptischen Einstellung in guter Gesellschaft. Laut Umfragen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) sprechen vor allem Ekel (45,7 Prozent Zustimmung) und hygienische Bedenken (14,9 % ) gegen den Verzehr von Würmern, Heuschrecken und Co. 86,1 % gaben dabei an, derartiges Getier noch nie gegessen zu haben. Die übrigen 13,9 % kamen teils im Ausland, teils in Deutschland in den Genuss. Immerhin können sich 10,5 % vorstellen, Insekten regelmäßig zu essen und 29,7 % würden nur ausnahmsweise zugreifen. Basis der Studie waren repräsentative Befragungen von 1.000 Konsumenten aus Deutschland. Jenseits europäischer Grenzen gehört solches Getier sprichwörtlich zum täglichen Brot. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schätzt, dass sich rund zwei Milliarden Menschen in Teilen Afrikas, Asiens, Nord-, Mittel- und Südamerikas von Insekten ernähren. Vorwiegend handelt es sich um Käfer (31 %), Raupen (18 %), Bienen, Wespen und Ameisen (14 %), Grashüpfer, Heuschrecken und Grillen (13 %), sowie Zikaden und Wanzen (10 %). Seltener stehen Termiten (3 %), Libellen (3 %) oder Fliegen (2 %) auf dem Speiseplan. Sie werden größtenteils in der Natur gefangen und gelten keineswegs als Notlösung, sondern als Delikatesse. Ein Blick unter den Chitinpanzer zeigt, ob Käfer, Heuschrecken oder Maden tatsächlich eine Bereicherung des Speiseplans sind. Frittierte Insekten auf einem Markt in Thailand © Takoradee / Wikipedia, CC BY-SA 3.0
Insekten enthalten je nach Art 35 bis 61 % Proteine, bei Heuschrecken sind es sogar bis zu 77 % in der Trockenmasse. Zum Vergleich: Bei Sojabohnen sind es beispielsweise 37 bis 38 %, bei luftgetrocknetem Manchego-Käse 32 % und bei luftgetrocknetem Serrano-Schinken 30 bis 31 %. Jenseits physiologischer Eckdaten geht es auch um die weltweite Deckung des Bedarfs und um die Schonung von Ressourcen. Laut einem Übersichtsbeitrag stammen zwischen 8 und 18 % aller weltweit emittierten Treibhausgase und 59 bis 71 % des Ammoniaks aus der Tierhaltung. Insekten verwerten Futter signifikant besser als Kühe oder Schweine. Ein Kilogramm Rindfleisch führt zu 12,5-mal mehr Kohlendioxid und 1.900-mal mehr Ammoniak als ein Kilogramm Insektenfleisch. Gleichzeitig wären 14-mal mehr Nutzfläche und 5-mal mehr Wasser erforderlich. Deshalb fördern FAO-Experten mit Programmen wie Edible Insects die Anzucht und den Verzehr von allerlei Insektenarten.
Spanische Fliege © Franco christophe / Wikipedia, CC BY-SA 3.0 Doch zurück nach Deutschland. Für Speiseinsekten und deren Produkte gilt EU-weit die Verordnung über neue Lebensmittel (Novel Food). Ende 2017 standen auf der Positivliste mit zugelassenen Organismen noch keine Insekten. Hersteller müssen ihre Produkte genehmigen lassen. Bei uns gibt es vor allem Buffalo-Larven, Grillen, Mehlwürmer und Seidenraupen zu kaufen. Forscher geben zu bedenken, dass bei anderen Spezies nur ein Bruchteil aller Inhaltsstoffe erforscht sind. Manche Insekten bilden in ihren Körpern Toxine. Dazu zählt das Reizgift Cantharidin aus der Spanischen Fliege. Schwarz- oder Dunkelkäfer produzieren sogar ätzende Chinone. In Widderchen – das sind Nachtfalter – wurden beispielsweise cyanogene Glykoside gefunden, bei deren Spaltung Blausäure entsteht. Die Toxine sind also wichtig bei der Beurteilung von Insekten als Lebensmittel. Unabhängig von der Art kommen hygienische Aspekte zum Tragen. Anders als bei Kühen oder Schweinen wird der Darm von Insekten nach der Tötung nicht entfernt. Bislang behelfen sich Hersteller mit einem Trick: Sie füttern die Tiere ein bis zwei Tage vor der Tötung einfach nicht mehr. Ob das ausreicht, um pathogene Enterobakterien zu entfernen, bleibt fraglich. Gekocht, gebraten, geröstet oder frittiert sinkt das Risiko jedoch deutlich. Auch hier gebe es laut FAO noch erheblichen Forschungsbedarf. Nicht zuletzt erwarten Experten ein gewisses allergenes Potenzial. Bekannt sind heftige Reaktionen nach dem Verzehr von Garnelen, Krebsen oder Hummern, die auch bei Heuschrecken oder Schaben auftreten könnten.
Bleibt als Fazit: Insekten stellen aus ernährungsphysiologischer und aus ökologischer Sicht eine echte Alternative dar. Bei aller Euphorie sollte aber nicht vergessen werden, dass etliche Fragen zur Verträglichkeit noch offen sind und die Industrie muss sich neuen Herausforderungen stellen. Außerdem scheinen Insektenfarmen prädestiniert für einen Einsatz von Antibiotika zu sein. Dabei sollte jedoch bereits im Vorfeld, für einen geregelten und verantwortungsvollen Einsatz gesorgt werden.