Im Zeitalter des Mobilfunk und der Smartphones können wir fast immer und überall telefonisch oder per E-mail, SMS oder WhatsApp kontaktierbar sein. Aber wollen wir das wirklich?
„Ich habe zu viele Freunde Zu viele Leute Die ich nie treffen werde Und für die ich nie da sein kann Weil ich nie da sein werde
Mein Computer denkt, ich sei schwul Was spielt das überhaupt für eine Rolle Wenn die Leute den ganzen Tag lang Sowieso nur auf ihr Handy starren?”
(Placebo - Too Many Friends)
Schaut man sich um, so scheinen die meisten Leute heutzutage unentbehrlich zu sein. Haben sie doch stets ihr Mobiltelefon griffbereit, sei es auf der Arbeit oder privat. Selbst Grundschulkinder verfügen nicht selten schon über ein eigenes Handy.
Als ich kürzlich mit meiner Frau bei unserem Lieblingsitaliener essen war, beobachtete ich am Nachbartisch eine Gesellschaft, die aus etwa zwölf Personen bestand und offenbar den Geburtstag eines Gastes feierte. Fast alle hatten ihr Smartphone auf dem Tisch liegen, beobachteten regelmäßig das Display, um die neusten Nachrichten zu lesen und auch direkt zu beantworten, nahmen Anrufe entgegen, fotographierten ihre angerichteten Teller oder die Party, um die Bilder anschließend bei Facebook oder Instagram zu posten, zeigten ihren Sitznachbarn lustige Videos auf YouTube oder spielten rasch eine Runde Quizduell. Ein angeregtes Gespräch kam hingegen nicht zustande.
Ob beim Spaziergang, Einkaufen, Essen, Unterhalten, Fernsehen oder sogar beim Autofahren – unentwegt glotzen viele auf ihre Smartphones. Texten statt zu sprechen, chatten statt sich zu verabreden, verkniffen zocken statt entspannt zu spielen ist normal geworden. Man ist quasi immer erreichbar, das Handy stets im Blickfeld. Die mobile Nutzung des Internets ist in vielen Situationen möglich und wird immer wichtiger. Medienfreier Räume gibt es kaum noch, was sowohl Vor- als auch Nachteile hat. Ob beim Feierabend mit dem Partner oder im Kino, beim Abendessen zu Hause oder im Restaurant: Das ewige Aufs-Smartphone-Gaffen nervt und stört, egal ob es aus Neugier, Langeweile oder der Angst, etwas zu versäumen, geschieht. Denn nicht selten steht das Handy im Konflikt mit anderen Dingen, beispielsweise der direkten Kommunikation mit Freunden oder der Familie.
Doch der soziale Druck ist groß, jede Nachricht sofort zu beantworten, einen Facebook-Eintrag schnell zu kommentieren oder den eigenen Status zeitnah zu aktualisieren. Gerade junge Leute gehören zur sogenannten Head-Down-Generation, so dass US-Forscher bereits vor dem Risiko von Bandscheibenvorfällen aufgrund der ungesunden Haltung warnen, von der erhöhten Unfallgefahr ganz zu schweigen, wenn man im Straßenverkehr durch das Mobiltelefon abgelenkt ist. Viele empfinden es auch als störend, in der Öffentlichkeit fremde Telefonate gezwungenermaßen mitverfolgen zu müssen.
Natürlich gibt es auch Vorteile. So kann das Handy zweifellos eine große Erleichterung für besorgte Eltern sein, wenn sie erfahren, dass ihr Kind unbeschadet beim Freund bzw. der Freundin angekommen ist. (Andererseits frage ich mich, wie ich jemals die Kindheit überleben konnte, ohne dass meine Eltern immer wussten wo ich war und mich überall telefonisch erreichen konnten.) Wenn man sich verspätet, trägt es natürlich zur Stressreduktion bei, wenn man den Wartenden informieren kann. Und schließlich kann das Mobiltelefon auch zum Lebensretter in Notsituationen werden, wenn man darüber die Polizei oder den Notarzt zu Hilfe rufen kann.
Aus beruflichen Gründen muss ich immer dann stets für das Krankenhaus erreichbar seit, wenn ich Rufbereitschaftsdienst habe. Hier trägt das Handy dazu bei, dass ich mich freier bewegen kann, da es meinen Aktionsradius vergrößert. Auch nutze ich gerne die Navi-Funktion meines Smartphones, da ich so kein zusätzliches Gerät mitnehmen muss, wenn ich mit dem Auto unterwegs bin. Und das mobile Internet hat mir schon geholfen, beispielsweise selbst in einer fremden Stadt schnell eine Notdienstapotheke zu finden. Der online Check-in und die virtuelle Bordkarte haben schon manche Flugreise vereinfacht.
Doch auch im Privatleben haben sich viele dem Wahn der permanenten Erreichbarkeit unterworfen. Wer auf eine Nachricht von Freunden nicht sofort reagiert, wird als unsozial abgestempelt. Die dahinter steckende Logik ist einfach und unerbittlich: Wer technisch gesehen erreichbar sein kann – und wir alle können es es theoretisch fast immer – und dennoch nicht antwortet, muss ein schlechter Mensch sein.
Ich selbst gönne mir, wenn ich frei habe oder im Urlaub bin, gerne auch einmal den Luxus der Unerreichbarkeit, denn ich schalte dann mein iPhone auch einfach einmal aus und habe trotzdem kein schlechtes Gewissen dabei.
Bildquelle (Außenseite): Christian Hornick, flickr / CC by-sa