Bis zum Jahr 2040 wird der Anteil der Menschen, die älter als 65 Jahre sind, auf über 25 % ansteigen. Zeitgleich sinkt aber die Zahl der Mediziner bei uns um bis zu 37.000. Bei den 60- bis 79-Jährigen leidet bereits heute mehr als die Hälfte der Menschen an einer überaktiven Blase; 30 bis 40 % von diesen klagen über Harninkontinenz. Wird die Harninkontinenz damit in Deutschland zum Problemfall?
Mit zunehmendem Alter - und meist noch dadurch verstärkt, wenn ein älterer Mensch ins Senioren- oder Pflegeheim geht - steigen die Harninkontinenzraten drastisch an. In einigen Häusern sind bis zu 90 % der Senioren davon betroffen; eine Häufung findet sich vor allem bei Frauen. Bereits heute sind Pflegekräfte vielfach mehr mit dem Trockenlegen von Patienten beschäftigt als mit ihren eigentlichen Routineaufgaben. Erschwerend kommt hinzu, dass Harninkontinenz noch immer als ein Problem der Alten gilt und in der öffentlichen Meinung als klassisches Tabuthema angesehen wird.
Droht im Rahmen der Harninkontinenz ein Dammbruch?
Zukünftig mehr betroffene Patienten zu haben, ist nicht das einzige Problem am Horizont. Aktuelle Hochrechnungen des Deutschen Krankenhausinstituts zeichnen ein düsteres Bild: Bis 2019 werden mehr als 37.000 Ärzte in Praxen und Krankenhäusern fehlen, sollte sich der Ärztemangel wie bisher entwickeln. Solange sich weiterhin 35 % derer, die ihr Medizinstudium in Deutschland beginnen, später nicht als Ärzte betätigen, wird diese Entwicklung wohl nur schwer aufzuhalten sein.
Von Ärztemangel bis Harninkontinenz
Doch was heißt das nun ganz konkret für die Harninkontinenz? Immer mehr Patienten stehen immer weniger ausgebildeten Ärzten gegenüber. Wer soll denn dann zukünftig die Betroffenen versorgen? Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft und ihr 1. Vorsitzender, Prof. Dr. Klaus-Peter Jünemann, stellten anlässlich der Tagung der Gesellschaft in Frankfurt am Main einen konkreten Lösungsansatz vor: Speziell ausgebildete Kontinenzschwestern – nach österreichischem Vorbild und mit Zusatzqualifikation – könnten anstelle eines Arztes inkontinente Patienten versorgen. „Wir müssen ja das Rad nicht neu erfinden. Österreich hat bereits seit einiger Zeit Erfahrung mit solchen Qualifizierungsprogrammen für Kontinenzschwestern“, merkte Prof. Jünemann weiter an. Und warum kann das nicht jede Schwester einfach tun? „Nun, die Krankenschwestern und Pfleger müssen in der Lage sein, einfachste differentialdiagnostische Schlüsse zu ziehen“, so Prof. Jünemann, „Wir benötigen Fachleute für diese Aufgabe.“
Um dieses Ziel schließlich auch erreichen zu können, bedarf es noch so mancher Anstrengung. Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft kann nicht allein politische Änderungen und Nachbesserungen bei der Ausbildung von medizinischem Personal bewirken. „Deshalb werden wir verstärkt mit Verbänden der Urologen, Gynäkologen und Viszeralchirurgen zusammenarbeiten.“, so Prof. Jünemann zum Abschluss.
Quelle:
Pressekonferenz anlässlich des 26. Jahreskongresses der Deutschen Kontinenz Gesellschaft am 14.11.2014 in Frankfurt am Main
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