Beim Patienten verändert sich plötzlich der Herz-Kreislaufzustand: Stress macht sich im OP-Team breit. Nun ist eine schnelle und reibungslose Zusammenarbeit von Operateur, Kardiotechniker und Anästhesist gefragt. Mit einem neu entwickelten Simulator kann das Team trainieren.
Eine eindeutige Kommunikation ist für das Ärzte-Team rund um den OP-Tisch entscheidend. „Bei herzchirurgischen Eingriffen ist das Geschehen anspruchsvoll, denn in einem Operationssaal sind im Durchschnitt acht bis zehn Personen beteiligt“, erklärt Prof. Dr. Jan Gummert vom Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen (HDZ). Bei dem nun entwickelten Simulatorgerät für OP-Teams gehe es daher nicht um chirurgische Fertigkeiten, sondern um das perfekte Zusammenspiel des Teams und die Minimierung der Risiken, die durch Koordinations- und Kommunikationsaufgaben entstehen können. „Bei der Operation ist nicht der einzelne Spezialist, sondern die Teamleistung aller Fachkräfte entscheidend.“ Der Simulator werde daher zukünftig als fester Bestandteil in der Ausbildung angehender Kardiotechniker aufgenommen werden, ergänzt Markus Rudloff, Leiter der Kardiotechnik im HDZ.
Das Herzstück des nun erstmals in Deutschland verfügbaren Simulatorgerätes enthält eine Software, die medizinische und technische Informationen der Anästhesie und Kardiotechnik während einer herzchirurgischen Operation erfasst. Weltweit sind derzeit 30 Simulator-Systeme dieser Art im Einsatz. Die kombinierte Einheit bildet die Arbeitswelt im OP-Saal nach: Sie besteht aus einem Patienten-Dummy mit offenem Brustkorb, der an alle notwendigen Überwachungsgeräte und die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen wird. Das Herz ist aus Plastik und durch die Schläuche fließt rotgefärbtes Leitungswasser. So wird in der Neuen Westfälischen das Setting beschrieben. Damit können über ein Regiepult Ereignisse simuliert und auch Notfallsituationen einfach nachgestellt werden.
Die häufigsten Notfälle bei einer Herzoperation entstehen durch eine plötzliche Veränderung des Herz- Kreislaufzustands des Patienten, die zu Stress-Situationen für alle Beteiligte führen kann. Hier ist schnelles Handeln und ein kühler Kopf gefragt. „Bei etwa jedem 5.000 herzchirurgischem Eingriff kommt es zu lebensbedrohlichen Komplikationen“, sagt Gummert. Ein plötzliches Blutgerinnsel, das die Herz-Lungen-Maschine verstopft, gehört beispielsweise dazu. Das passiere allerdings so selten, dass man einen bestmöglichen Einsatz nur durch zusätzliches simuliertes Training lernen könne. Um die Ursachen schnellstmöglich zu finden, sind deutliche, direkte und offene Ansagen notwendig, mit denen Operateure, Kardiotechniker, Anästhesist und Pflegefachkräfte einerseits über ihre Handlungen, andererseits über medizinische Befunde und Daten sowie über mögliche technische Mängel informieren.
„Mit Hilfe der Simulation soll es nun gelingen, die individuellen, organisatorischen, technischen oder auch hierarchiebedingten Faktoren zu erkennen, die sowohl das Team als auch das Teamumfeld bei der Arbeit stören können“, beschreibt Rudloff die neue Fortbildungsmaßnahme. Eine Herausforderung bedeutet dabei auch die Vielfalt der Informationsabhängigkeiten. Denn der Chirurg ist auf die richtigen Informationen des Anästhesisten und Kardiotechnikers angewiesen. Der Anästhesist benötigt für die Überwachung der Lebensdaten die wichtigen Informationen zu den Labordaten und zu den vom Kardiotechniker durchgeführten Einsätzen der Herz-Lungen-Maschine. Und die OP-Fachkräfte müssen das chirurgische Vorgehen kennen, um zur richtigen Zeit sterile Instrumente und Verbrauchsmaterial an- und nachreichen zu können. „Das alles kann man trainieren, wobei wir mit dem Ziel der fortlaufenden Verbesserung aller Abläufe zunächst den Fokus auf das Trio Operateur-Anästhesist-Kardiotechnik richten“, schließt Gummert. Originalpublikation:
Die Hohe Schule der Patientensicherheit Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum - Herz- und Diabeteszentrum NRW Bad Oeynhausen; Pressemitteilung; 2016