Heute schon Facebook genutzt? Vielleicht waren Sie dabei Teil einer Studie! Wissenschaftlicher untersuchten die emotionale Beeinflussbarkeit von 689.003 Usern – ohne deren Wissen! Die AGB macht’s möglich.
Nutzen Sie auch Facebook? Das im Jahr 2004 gegründete soziale Netzwerk zählt mittlerweile über eine Milliarde User und gehört zu den am höchsten frequentierten Websites überhaupt. In Deutschland rangiert Facebook direkt hinter Google auf der Klick-Statistik.
Die Nutzung des Netzwerks produziert Unmengen an Daten: Laut Angaben des TechCrunch Netzwerks verarbeitet Facebook täglich 2,5 Milliarden Inhalte, 300 Millionen Fotos und 2,7 Milliarden Likes. Das tägliche Datenvolumen soll sich auf mehr als 500 Terabyte belaufen.
Datenflut als Quelle für wissenschaftliche Studien
Dass Facebook die Userdaten sammelt und auch für weitere Analysen weitergibt hat schon des Öfteren für Aufregung gesorgt. Beispielsweise konnte eine Studie der Universität Cambridge zeigen, dass sich alleine anhand der Likes eines Nutzers dessen politische und religiöse Ansichten ziemlich genau vorhersagen lassen. Ebenso lässt sich daraus die sexuelle Präferenz ermitteln oder herausfinden, ob Jemand ein Scheidungskind ist.
Eine kürzlich im renommierten Fachjournal PNAS (Proceedings oft he National Academy of Sciences) erschienene Studie wurde mit knapp 700.000 Facebook Usern durchgeführt – ohne deren Wissen! Die Autoren der Studie berufen sich dabei auf die AGBs von Facebook, die die wissenschaftliche Nutzung der Userdaten ausdrücklich erwähnt.
Die Emotionsstudie
In dem Versuch ging es um Emotionen. Emotionen der Nutzer. Die meisten Posts, die über Facebook die Runde machen und für Freunde sichtbar sind, enthalten positiv oder negativ gewichtete Inhalte. Die Autoren um Jeffrey Hancock von der Cornell Universität in Ithaca wollten herausfinden, ob diese Emotionen auf andere User ansteckend sind.
Auf Facebook werden im Sekundentakt Nachrichten verbreitet. Die Beiträge der eigenen Freunde werden einem beim nächsten Login auf dem persönlichen Newsfeed präsentiert. Welcher Beitrag dort angezeigt wird oder verborgen bleibt wird durch komplizierte Algorithmen bestimmt. In der neu erschienen Studie untersuchten die Wissenschaftler, ob das Verhalten eines Nutzers durch gezielte Manipulation seines eigenen Newsfeeds verändert wird.
In der Woche vom 11. bis 18. Januar 2012 wurden dafür genau 689.003 englischsprachige Nutzer für das Experiment „auserwählt“. Zufällig, per User ID. Mit einer speziellen Software wurden die einzelnen Posts der User auf positive oder negative Adjektive gefiltert. Daraufhin wurden die „Studienteilnehmer“ in 2 Gruppen geteilt: Auf dem Newsfeed der ersten Gruppe wurde der Inhalt emotional positiver Beiträge reduziert, der zweiten Gruppe wurden emotional negative Beiträge auf ihrem Newsfeed vorenthalten.
Vorsicht, ansteckend
In den Ergebnissen ließen sich signifikante Unterschiede feststellen: Die Nutzer, die vornehmlich negative Beiträge zu sehen bekamen, aktualisierten ihren eigenen Status tendenziell häufiger mit einem ebenfalls emotional negativen Beitrag und seltener mit einem positiven. Für die andere Gruppe galt das Umgekehrte. Die Wissenschaftler interpretieren dieses Phänomen als „emotionale Ansteckung". User sozialer Netzwerke passen ihre eigene Gemütslage den Beiträgen ihres Freundeskreises an, sie lassen sich anstecken.
Ob Facebook künftig die Emotionen seine User absichtlich manipuliert? Das bleibt Spekulation, aber alleine mit Hilfe des Newsfeeds wäre das aufgrund der aktuellen Studienlage prinzipiell möglich.
Umstrittene Forschung
Diese Form der Forschung und Datenerhebung ist sehr umstritten. Die britische Tageszeitung The Guardian bezeichnet die aktuelle Studie als skandalös, unheimlich und beunruhigend. Diese Meinung teilen sicherlich auch viele User des Facebook Netzwerks. Doch mit dem Klick auf den AGB button bei der Anmeldung bleibt der Zugriff auf die riesige Datenwelt auch weiterhin für Wissenschaftlicher offen.
Link zur Originalpublikation:
Experimental evidence of massive-scale emotional contagion through social networks. Adam D. I. Kramer, Jamie E. Guillory, and Jeffrey T. Hancock. Adam D. I. Kramer, 8788–8790, doi: 10.1073/pnas.1320040111