Wer gläubig ist, lebt länger. Das wollen umstrittene epidemiologische Studien beweisen. Mit bildgebenden Verfahren wagen Forscher erstmals einen tieferen Blick ins Gehirn betender Probanden. Religion ist neurobiologisch betrachtet eben doch „Opium fürs Volk“.
„Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen“, denken sich gläubige Christen. Ihnen bleiben offensichtlich ein paar Monate mehr Lebenszeit als ungläubigen Menschen, berichtet Shanshan Li. Sie forscht an der Harvard T. H. Chan School of Public Health in Boston, Massachusetts. Ihre Arbeit wirft neue Fragen auf.
Basis ihrer Studie war die Nurses Health Study, eine US-amerikanische Längsschnittstudie mit verheirateten Krankenschwestern. Eine erste Kohorte wurde ab 1976 aufgebaut und umfasst zirka 122.000 Frauen. Bei der zweiten Kohorte ab 1989 sind mittlerweile rund 117.000 Frauen an Bord. Li wertete Daten zum spirituellen Verhalten von knapp 75.000 Frauen aus. Sie begegnete methodischen Schwächen älterer Arbeiten schon mit ihrem Studiendesign. Indem Wissenschaftler Probandinnen alle vier Jahre befragten, wollten sie Artefakte ausschließen. Schaffen es Frauen regelmäßig zum Gottesdienst, leiden sie kaum an lebensbedrohlichen Krankheiten, so die Kritik an früheren Papers.
Im Schnitt waren Teilnehmerinnen 60 Jahre alt, gingen mehrmals (19 Prozent), einmal pro Woche (41 Prozent) oder noch seltener (16 Prozent) zum Gottesdienst. Etwa 24 Prozent hielten sich von Kirchen fern. Teilnehmerinnen waren katholischen, protestantischen oder jüdischen Glaubens. Daneben gab es auch Atheistinnen. Fest steht schon heute: Dass Religion „Opium fürs Volk“ ist, wie Karl Marx einst proklamierte, lässt sich neurobiologisch beweisen. Der Nucleus accumbens ist Zielstruktur für euphorisierende Drogen und für spirituelle Empfindungen.