In den letzten Wochen hatte ich dank Urlaub und Ferien doch ein relativ entspanntes Arbeiten. Jetzt ist die letzte Ferienwoche angebrochen, und wir merken doch deutlich den Strom der nach Hause und zur Arbeit zurückkehrenden Sommerurlauber. Die Praxis läuft wieder voll. Und nicht nur die Patienten sind zurück, auch die vielen, vielen Sonderwünsche, die wir tagtäglich hören. Ein paar Beispiele aus den letzten Tagen:
Junge, 17 Jahre, kommt heute zu mir: "Ich hatte vor 2,5 Wochen eine Fahrstunde, aber die konnte ich nicht antreten, ich hatte Allergie. Und dafür brauche ich jetzt ein ärztliches Attest. Sonst muss ich die Stunde trotzdem bezahlen." "Und warum bist du nicht gleich an dem Tag gekommen?" Wir sind noch an dem Tag in den Urlaub gefahren und erst vor 2 Tagen wiedergekommen." Äh ja. Bei aller Liebe, aber eine nachträgliche Krankschreibung für vor über 2 Wochen? Wohl kaum. Zumal der Patient heute das 2. Mal überhaupt in seinem Leben unsere Praxis betreten hat.
Feierabend, ich stehe noch mit den Mädels vor der Praxistür und wir reden über private Themen. Kommt eine Patientin angelaufen:"Ach ist schon zu??" Es war wohlgemerkt bereits kurz vor 19Uhr, die Sprechstunde geht bis 18 Uhr. Die Patientin erkennt mich: "Ach, ich frag Sie einfach gleich so: Ich brauche nochmal 6x Krankengymnastik, die 6x haben das zwar schon besser gemacht, aber es ist immer gut, sich nochmal begrabbeln zu lassen." Die Patientin hatte nur ein leichtes HWS-Syndrom, und in solch einem Fall bezahlt die Krankenkasse nicht mehr als 6x KG in 12 Wochen, jedenfalls nicht vom Hausarzt und mit einem bestimmten Verordnungsschlüssel. Zugegeben, die Materie ist etwas kompliziert. Ich habe mir also die Mühe gemacht und ihr das geduldig erklärt, welche Möglichkeiten sie jetzt hat usw. Darauf die Patientin: " Ich will aber unbedingt nochmal 6x KG! Ich habe schon die Termine gemacht! Das ist doch IHR Problem, dass müssen SIE doch lösen! Rufen SIE die Kasse an oder irgendwas!" Nach weiteren 10 Minuten Diskussion habe ich entnervt das Gespräch beendet und bin gegangen.
Vor ein paar Tagen Hausbesuch bei einer Patientin, die auf einen Rollator angewiesen ist. Es ging um einen anstehenden, wichtigen Kardiologentermin, weswegen ich mit mehreren Kardiologen telefoniert hatte, um ihr schnellstmöglich einen Termin zu besorgen. Patientin: " Ich möchte nicht nochmal zum Kardiologen."
Ich: "Aber Frau XY, warum denn nicht? Sie wissen doch, Ihre Herzrhythmusstörungen müssen unbedingt weiter behandelt werden und Sie waren doch schon vor zwei Wochen bei ihm und das ging."
Sie: "Das ging eben nicht, wir mussten 3h warten, bis wir dran waren, obwohl wir einen Termin hatten!" Ich: "Darauf habe ich keinen Einfluss, aber wir waren doch froh, dass Sie überhaupt dran gekommen sind usw. usf."
Sie: "Ja, aber wenn ich da nochmal hinsoll, will ich einen Schein fürs Taxi"
Die Patientin wohnt in einem Haus mit zwei ihrer Kinder, die beide ein Auto besitzen und beide nicht berufstätig sind. Normalerweise fährt ein Kind die Mutter zu ihren Arztterminen.
Ich: " Aber Frau XY, letzte Mal hat sie doch auch Ihre Tochter gefahren, warum geht das nicht nochmal? Sie sind nicht so schwer krank und in der Mobilität eingeschränkt, dass die Krankenkasse Ihnen ein Taxi bezahlen würde"
Sie: "Ja, aber meine Tochter hat keine Lust, da solange beim Arzt zu warten und ich auch nicht" An dem Punkt habe ich dann die Tochter hinzugeholt und die Sache auch noch einmal mit ihr erörtet, dass medizinische Leistungen wie auch Krankentransport usw. indiziert sein müssen, und das "Kein Bock auf Wartezeit" keine medizinische oder soziale Diagnose ist. Am Ende hat sie dann eingewilligt, netterweise ihre Mutter noch einmal hinzufahren.
Solche Beispiele erleben wir jeden Tag in unserer Praxis. Wir machen ja vieles möglich und versuchen auch oft, unbürokratisch und schnell Hilfe zu leisten, wo wir können. Und sicher hat das Gesundheitssystem viele, viele Schwächen, aber die "Nehmerqualitäten" und das Anspruchsdenken mancher Patienten erstaunt mich doch immer wieder. Nur nichts selber tun. Wozu ist der Arzt sonst da, wenn nicht zum Wünsche erfüllen?
In diesem Sinne wünsche ich mir selber morgen einen entspannten Arbeitstag mit netten Patienten.