“Television Viewing, Computer Use, Time Driving and All‐Cause Mortality: The SUN Cohort” ist der Titel der Publikation von Francisco Javier Basterra‐Gortari et al. im Journal of the American Heart Association (JAHA). Doch von einer echten prospektiven Studie, mit der eine Hypothese geprüft, bestätigt oder verworfen werden muss, ist diese aktuelle Untersuchung weit entfernt.
Denn es handelt sich um eine sogenannte Follow-Up-Studie. Niemand kann exakt angeben, wie lange er z u k ü n f t i g sitzen, fernsehen, Computer benutzen oder Auto fahren werden wird, sondern sich allenfalls bei Befragungen r e t r o s p e k t i v grob erinnern, dass da mal irgendwas mit TV, PC und PKW war [„13 284 Spanish university graduates with a mean age of 37 years were followed‐up for a median of 8.2 years“].
Ein bekanntes Motto lautet: "Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft". E. S. George et al. haben im Int J Behav Nutr Phys Act. Anfang 2013 veröffentlicht: „Chronic disease and sitting time in middle-aged Australian males: findings from the 45 And Up Study” http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3571940/ Sie fanden einen positiven Zusammenhang zwischen der täglichen Sitzdauer und dem Auftreten von Diabetes mellitus bzw. anderen chronischen Krankheiten im Rahmen einer r e t r o s p e k t i v e n Krankheitsregister-Studie. Damit ihre Erkenntnisse nicht auf dem Niveau bleiben: „Je flacher die Atmung, desto schlechter die Lungenfunktion“, forderten sie p r o s p e k t i v e Studien zur Klärung eines Kausalitäts-Zusammenhangs. Denn nicht nur Bewegungsmangel und das viele Sitzen a l l e i n lassen Krankheiten entstehen. Sondern auch k r a n k h e i t s- und b e h i n d e r u n g s b e d i n g t e Bewegungs- und Leistungseinschränkungen diktieren u. a. die tägliche Sitzdauer. Andernfalls müssten Bus- und Taxifahrer, Piloten, Rennfahrer, Büro- und Verwaltungsangestellte, in DocCheck-Schreibende oder Pförtner reihenweise Bewegungsmangel-bedingt krank werden und tot umfallen.
Erst die ABC-Morbidität von Adipositas, Bewegungsmangel und Co-Faktoren wie metabolisches Syndrom, Hyperinsulinismus, endokrine Pankreasinsuffizienz, Insulinresistenz, idiopathische und genetische Faktoren machen z. B. den Typ-2-Diabetes mellitus aus.
Nach einer Analyse des australischen "AusDiab-Registers" aus dem Jahr 2011 soll sechs Stunden täglicher Fernsehkonsum das Leben im Mittel um fünf Jahre verkürzen (Br J Sports Med 2011, online 15. August). Unter Verwechslung von Wirkung und Ursache wurde die unsinnige Hypothese aufgestellt, dass "Fernsehkonsum von 6 Std. tgl." s e l b s t aktiv das Leben verkürzen könne.
Doch TV-Konsum ist nur ein Surrogat Parameter. Die Fernsehdauer ist Indikator für Krankheits- und Motivationsmangel-bedingte Mobilitätseinschränkungen, aber kein valider, monokausaler Parameter für Morbidität und Mortalität. Unsere Patienten sterben nicht, w e i l sie fernsehen, sondern w ä h r e n d der Fernseher läuft!
Andernorts wurde sogar publiziert, möglichst wenig fernzusehen, reduziere präventiv die Prävalenz von Typ-2-Diabetes (JAMA. 2011;305(23):2448-2455). Aber entscheidend bleibt doch: Wir sterben wegen der Endlichkeit aller Lebensvorgänge u n d weil wir uns vor dem Sterben über kurz oder lang nicht mehr so viel bewegen.
Aber die hier aktuell referierte Studie von Basterra-Gortari FJ, et al: J Am Heart Assoc. 2014; 3:e000864 http://dx.doi.org/10.1161/JAHA.114.000864
reflektiert z. B. überhaupt nicht, warum längeres Sitzen beim Autofahren [„Time Driving“] unmöglich die Gesamt-Mortalität [„All‐Cause Mortality“] beeinflussen kann: Wer sich noch Reste von Multitasking-Herausforderungen, Durchblick beim Straßen und Schilder-Wirrwarr, bei Staus, Umleitungen, Navi- und Auto-Bedienung, Achtsamkeit und Respekt vor z. T. völlig insuffizienten anderen Verkehrsteilnehmern bewahrt hat, kann unmöglich selbst krankheitsbedingt an der Schwelle des Todes stehen. Es sei denn, er wird von einem anderen Kamikaze-Verkehrsteilnehmer, der selbst seinen "Lappen" nicht abgeben wollte, über den Haufen gefahren. Für Internet- und PC-Aktivitäten gilt Analoges.
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