„Sieh‘ Dich nicht um, der Plumpsack geht um!“ hieß es in meiner Kindheit. Und wer den Plumpsack abkriegte? Pech gehabt! Bei den vielen unsinnigen, kompetenz- und reflexionsbefreiten tagespolitischen Anregungen kann ich die vielen Plumpsäcke gar nicht mehr halten.
Ein Plumpsack des Monats Mai geht an Bundesgesundheitsminister (BGM) Hermann Gröhe: „113.000 leer stehende Betten“ beklagte er wörtlich! Er vergaß dabei zu bedenken, dass am Wochenende Kliniken bis auf Funktionsabteilungen im 3-Schichten-Betrieb mit weniger Personal und Betten-Belegung betrieben werden, weil von Montag bis Freitag der reguläre Volllast-Betrieb läuft. Dass trotz steigender Patientenzahlen, Überalterung und zunehmender Multimorbidität (demografischer Faktor) im Jahresdurchschnitt nur 77 Prozent der Kapazitäten in den Kliniken ausgelastet seien, bedeutet für den BGM, dass von den rund 501.000 Klinikbetten in Deutschland etwa 113.000 leer stünden. Dies ist eine märchenhaft ministerielle Milchmädchen-Rechnung!
Denn berechnet man die Auslastung von Montag bis Freitag, kommt man nach Angaben des Präsidenten der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. med. Theodor Windhorst, darauf, dass beispielsweise in Westfalen-Lippe 58.000 Krankenhausbetten im Jahresdurchschnitt zwar nur zu 76,3 Prozent, jedoch o h n e die Einbeziehung der Wochenenden zu 85 Prozent ausgelastet sind.
Liest man im Organigramm des Bundesgesundheitsministeriums, wird Einiges klar: Keiner der Staatssekretäre und Abteilungsleiter sind oder waren gestandene Mediziner. Es wird von abgebrochenen Lehrern, Juristen, WISOWI-Absolventen und Studienabbrechern dominiert. Die parlamentarische Staatssekretärin verfügt über ein 8-jähriges Studium in Tübingen o h n e jeden Abschluss.
Mitten in diesen Widerspruch zwischen medizin-ethisch gerade noch verantwortbarer Versorgungsrealität mit Not- bzw. Flurbetten, Selbstausbeutung bei Helfer-Syndromen in Pflege- und Versorgungsbereichen in Klinik und Praxis oder gar "Burn-Out-Syndrom", drängt das Studienergebnis: "Liegt die Bettenauslastung über 90 Prozent, wird es für alle Patienten gefährlich", so der Professor für Health-Care Management, Ludwig Kuntz, von der Kölner Universität.
Wir wissen alle, dass die überfüllte Notaufnahme, das dazu geschobene Bett, die Notoperation oder der unvorhersehbare Reanimationsfall mit CPR die F e h l e r q u o t e n allein durch Mehrbelastung, die Unmöglichkeit grenzenlosen "Multitaskings" und Mangel an rekreativen Möglichkeiten des Personals steigern können. Haus-, Fach- und Spezial-Arztpraxen arbeiten u. U. fehlerhafter, wenn Ausfallquoten bei Urlaubsvertretungen, unvorhersehbaren Erkrankungen der Nachbarkollegen, bei eigentherapierten Erkrankungen bzw. konditionellen oder konstitutionellen Schwächen hinzutreten. Und dann kommt ein BGM daher und will ausgerechnet uns, die wir in der realen stationär-ambulanten Versorgungswelt stehen, etwas von Bettenüberkapazitäten und -abbau erzählen? Dass die Zahl der Krankenhausbetten in Deutschland reduziert werden müsste? Dass im Jahresdurchschnitt nur 77 Prozent der Kapazitäten in den Kliniken ausgelastet seien? Dass von den rund 501.000 Klinikbetten etwa 113.000 nutzlos leer stünden? Mein Vorschlag: Der BGM besucht alle von ihm herbeigezauberten leeren Betten, begrüßt die darin n i c h t liegenden Patienten mit einem infektiologisch äußerst fragwürdigen Handschlag und wünscht ihnen von ganzem Herzen gute Besserung für Krankheiten, die sie n i c h t haben. In einer anschließenden Pressekonferenz verurteilt er ebenso pauschal wie entrüstet d i e Ärztinnen und Ärzte, die ständig versuchen würden, nicht vorhandene Patienten mit nicht vorhandenen Erkrankungen und nicht erforderlichen Leistungen, unnützen Eingriffen und wirkungslos-teuren, innovativen Medikamenten zu traktieren. Nur, um ihre vielen leeren Betten zu füllen. "Sieh' Dich nicht um, der Plumpsack geht um"?
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