Ein Doppelblindversuch mit einer 2:1 Verblindung (2 Pat. erhalten Verum und 1 Patient Placebo) mit einer 7-mg-Kapsel Lycopen als rotem Tomatenfarbstoff täglich kann nur dann halbwegs irgendwie signifikante Unterschiede ergeben, wenn ausschließlich Surrogat-Parametern verwendet werden.
Wenn man in einer Placebo-kontrollierten Studie, wie in PLOS One (2014; doi: 10.1371/journal.pone.0099070) publiziert, 36 Patienten m i t Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Vorgeschichte gegen 36 gesunde Probanden nur 61 Tage lang mit täglich einer 7-mg-Kapsel Lycopen als rotem Tomatenfarbstoff im Doppelblindversuch in einer 2:1 Behandlungs-Allokation gegen Placebo testet, können halbwegs signifikante Unterschiede nur durch konsequenten Einsatz von Surrogat-Parametern errungen werden:
- Die endothelabhängige Vasodilatation wurde dabei über intraarterielle (sic!) Acetylcholin-Infusionen gemessen und musste für die "endotheliale Dysfunktion" als einzig experimentell bedeutsam signifikantem Parameter herhalten. - Die nicht-endothelabhängige Vasodilatation über intraarterielle Infusion von Nitroprussid-Natrium gemessen bzw. die intraarterielle Infusion von N-Methylarginin, um die Aktivität der Stickstoffmonoxid (NO)-Synthase zu messen, brachten keinerlei Wirkungsnachweise von L-Lycopen. - K e i n e Wirkung zeigten Blutdruck oder Pulswellengeschwindigkeit als Maß für die „Steifigkeit" der Arterien bzw. Lipid- und hsCRP-Spiegel im Vergleich von Lycopen vs. Placebo. ["Forearm responses to intra-arterial infusions of acetylcholine (endothelium-dependent vasodilatation; EDV), sodium nitroprusside (endothelium-independent vasodilatation; EIDV), and NG-monomethyl-L-arginine (basal nitric oxide (NO) synthase activity) were measured using venous plethysmography. …Blood pressure, arterial stiffness, lipids and hsCRP levels were unchanged for lycopene vs. placebo treatment groups ..."]. Auch bei Patienten mit bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist allerdings die "endotheliale Dysfunktion" nach ICD-10-GM in der aktuellen Fassung von 2013 als eigenständiges Krankheitsbild n i c h t vermerkt. Es sei denn, man gibt sich bei der ICD-10 mit der ebenso allgemeinen wie nichtssagenden Codierung „I77.9“, von "small-vessel-disease“ bis zum "arteriellen Gefäßleiden" klassifiziert, zufrieden. Die Vermutung, dass die 6-köpfige Autorengruppe neben ihren bekannten Interessenkonflikten in Form ihrer „Nähe“ zur Herstellerfirma von Lycopen vermutlich Tomaten auf den Augen haben könnten, ergibt sich aus der Einleitung ihrer Publikation: Dass eine "Mediterrane Diät" die Krankheitslast für kardiovaskuläre Krankheiten senken würde ["...a ‘Mediterranean diet’ reduces cardiovascular disease (CVD) burden..."], wollen sie isoliert und monokausal einzig und allein auf vermehrten Konsum von Lycopen-Tomatenfarbstoff herunterbrechen?
Foto: „Tomaten auf den Augen“ © Praxis Dr. med. Thomas G. Schätzler, Dortmund
Abstract der Studie in PLOS One
Bild Außenseite: Ajith Kumar , flickr