Die Verarbeitung emotionaler Informationen wird durch physiologische Körperfunktionen moduliert. Wissenschaftler der Universität Sussex untersuchten den Einfluss der Herzphasen auf die Interpretation emotionaler Gesichtsausdrücke.
Emotionen begegnen uns im täglichen Leben: Freude über Erfolge, Angst vor Prüfungen oder Trauer um Verlorenes. Typischerweise ändern sich dabei Körperfunktionen wie Puls, Blutdruck oder Schweißsekretion. Intuitiv hält man das für eine kausale Konsequenz: weil man Angst empfindet, steigt der Puls. Forscher der Universität Sussex unstersuchten in ihrer kürzlich veröffentlichten Studie das Umgekehrte: Wie ändert sich die emotionale Wahrnehmung in Abhängigkeit der physiologischer Parameter. Schon seit Längerem gilt die Theorie, dass unsere emotionale Verarbeitung durch unbewusste körperliche Veränderungen moduliert wird. So wurde in einer Studie aus dem Jahre 1988 gezeigt, dass die Bewegung von Gesichtsmuskeln bei der Beurteilung emotionaler Informationen eine große Rolle spielt.
In der aktuellen Studie wurde die Verarbeitung emotionaler Gesichtsausdrücke in der Auswurfphase des Herzens (Systole) mit der Entspannungsphase (Diastole) verglichen. In einer ersten Testreihe mussten die Probanden nach einer kurzen Präsentation der Gesichtsausdrücke das jeweilige Bild bei der Darbietung von drei Auswahlmöglichkeiten wiedererkennen. Dabei erfolgte die Hälfte der Darbietungen in der Auswurfphase des Herzens, die andere Hälfte in der Entspannungsphase. In der zweiten Testreihe wurden Gesuchtsausdrücke ebenfalls in Abhängigkeit von der Herzaktion präsentiert. Dabei lagen die Probanden in einem fMRT-Scanner, mit dessen Hilfe der Sauerstoffverbrauch im Gehirn als Korrelat für neuronale Aktivität erfasst werden kann.
Überraschende Ergebnisse
Ältere Studien mit ähnlichem Aufbau beschäftigten sich vor Allem mit der Schmerzverarbeitung. Dabei zeigte sich, dass Schmerz in der Auswurfphase des Herzens weniger intensiv wahrgenommen wird. Die aktuelle Studie führte jedoch zu dem Ergebnis, dass dies nicht generell für alle senorischen Verarbeitungsprozesse gilt: in der Systole wurden ängstliche Gesichtsausdrücke signifikant besser wahrgenommen als in der Diastole. Passend dazu war auch die Aktivität in den Mandelkernen, einer Hirnstruktur, die besonders stark mit der Verarbeitung emotionaler Gedächtnisinhalte involviert ist, bei Darbietung ängstlicher Gesichter in der Systole aktiver. Interessanterweise war das Ausmaß der Wahrnehmungsunterschiede bei ängstlichen Probanden größer. Bei Menschen mit Angstkrankheiten wird generell über eine stärkere Reaktion des Herz-Kreislaufsystems berichtet.
Physiologische Grundlage
Doch welche nachweisbare Verbindung besteht zwischen Herz und Gehirn? Das Herz ist mit einem eigenen Nervensystem ausgestattet, das unabhängig vom Rest des Körpers arbeiten kann und die regelmäßige Herzaktion mit Kontraktion und Entspannung ermöglicht. Bestimmte Eigenschaften dieses geregelten Prozesses wie die Anzahl der Schläge pro Minute oder die Dauer der Überleitung von den Vorhöfen auf die Kammern des Herzens können jedoch durch Hormone oder durch das sogenannte vegetative Nervensystem moduliert werden. Der Körper kann in einer Stressreaktion das durchschnittliche Blutvolumen, das pro Zeiteinheit durch den Körper zirkuliert, erhöhen. Hirstrukturen erhalten über das vegetative Nervensystem eine Art Feedback über den Ist-Zustand. Außerdem gibt es in bestimmten Arterien sogenannte Barorezeptoren. Diese Rezeptoren messen den Druck im Gefäßsystem und sind ebenfalls ein Bestandteil des vegetativen Systems. Die Nervenfasern übermitteln die Informationen an das Gehirn.
Diese Grundlagen könnten ein möglicher Mechanismus für die Unterschiede in der Wahrnehmung während der Systole und der Diastole sein. Die Ergebnisse der Studie können zur Entwicklung neuer Strategien bei der Behandlung von Angstkrankheiten beitragen. Durch pharmakologische Interventionen kann die Diastolendauer des Herzens beeinflusst werden. Natürlich soll die konventionelle Psychotherapie nicht durch die Beeinflussung der Herzfunktion verdrängt werden, doch möglicherweise wirken solche Ansätze unterstützend in der bisherigen Therapie.