Citalopram soll bei M. Alzheimer-Patienten mit Demenz gut gegen ihre Agitiertheit wirken. Das Antidepressivum kann Verhaltensstörungen lindern und beruhigen. Herzpatienten mit QTc-Zeit-Verlängerung sollen diesen selektiven Serotonin-Wiederafnahmehemmer (SSRI) jedoch nicht nehmen. Ein weiteres Dilemma: Kognitionsdefizite und Nebenwirkungen!
Doch das scheint die Autoren einer Studie im JAMA
Porsteinsson AP et al. Effect of Citalopram on Agitation in Alzheimer Disease. The CitAD Randomized Clinical Trial. JAMA 2014; 311(7):682-691.
nicht sonderlich zu irritieren: Sie nahmen eine Placebo-Gruppe mit s c h l e c h t e r e n Ausgangswerten (18-Punkte-Agitations-Skala NBRS-A bei Patienten mit Placebo von 7,8) und eine Verum-(Citalopram)-Gruppe mit b e s s e r e n Ausgangswerten (18-Punkte-Agitations-Skala NBRS-A bei Patienten zu Beginn 7,4 Punkte). Der Rückgang m i t SSRI von 7,4 auf 4,3 Punkte entspricht 41,9 Prozent. Der Rückgang mit P l a c e b o von 7,8 auf 5,3 entspricht 32,0 Prozent. Mit anderen Worten: Eine Verbesserung des Rückgang der Agitation bei Demenz von knapp 10 Prozent wird mit einem schnelleren geistigen und kognitiven A b b a u, welcher durch die Eigendynamik im zeitlichen Verlauf der Alzheimer-Demenz z u s ä t z l i c h forciert wird, erkauft. Dies entspricht einer "number-needed-to-treat" NNT von 10. Das heißt, 10 Patienten müssen (sinnlos) behandelt werden, damit es bei einem E i n z i g e n zum Rückgang der Agitiertheit kommt.
Addiere ich dann noch allein die neuropsychiatrischen Nebenwirkungen von Citalopram, wie sie in den gängigen Fachinformationen als "sehr häufig" bis "gelegentlich" aufgeführt werden, hinzu , komme ich aus dem Staunen nicht heraus: "Psychiatrische Erkrankungen - Sehr häufig: Agitiertheit, Nervosität; Häufig: Verringerte Libido, Orgasmusstörungen (bei der Frau), Ängstlichkeit, Verwirrtheit, Apathie, Konzentrationsstörungen, anormale Träume, Gedächtnisverlust; Gelegentlich: Aggression, Depersonalisation, Halluzinationen, Manie, Euphorie, gesteigerte Libido". Bei "Erkrankungen des Nervensystems - Sehr häufig: Teilnahmslosigkeit (Drang zu Schlafen), Schlaflosigkeit, Tremor, Schwindel, Kopfschmerzen; Häufig: Parästhesien, Schlafstörungen, Migräne, Geschmacksstörungen, Aufmerksamkeitsstörungen; Gelegentlich: Ohnmacht, Krampfanfälle, EPS-Störungen" werde ich ebenfalls fündig.
Citalopram bewirkt also in weiten Teilen allein mit seinen Nebenwirkungen die Grundkrankheit, die man ursprünglich zu lindern vorgab. Also irgendwo zwischen mindestens ebenso nebenwirkungsträchtigen, hochpotenten Neuroleptika und der alten "Zwangsjacken"-Behandlung, die man heutzutage durch modische SSRI-Therapien zu verschleiern versucht. Dass JAMA - jamanetwork.com - the Journal of the American Medical Association - sich für so etwas hergibt?