Heute habe ich wieder geschrieben. Und geschrieben. Und geschrieben. Bis mir die Hand weh tat. Als ich mir dann meine Kringel auf den Rezepten, AU-Bescheinigungen, Privatrezepten, Überweisungsscheinen angesehen habe, musste ich fast lachen. Als ich angefangen habe zu arbeiten, hatte ich noch eine richtige Unterschrift. Jetzt ist davon nicht mehr geblieben als eine Linie, die im besten Falle aussieht wie eine aufgerichtete Klapperschlange mit langem Schwanz, im schlimmsten Falle wie das Gekrakel eines einjährigen Kindes. Wobei ich künstlerisch begabten Einjährigen nicht zu nahe treten möchte.
Ich schäme mich manchmal schon fast für diesen Strich, Unterschrift kann man es fast nicht mehr nennen. Andererseits habe ich bei dieser Flut von "Unterschriften" die wir jeden Tag leisten müssen, unter all den Rezepten, Attesten, Bescheinigungen usw. auch nicht den Ehrgeiz, mich kalligraphisch in meiner Unterschrift selbst zu verwirklichen. Interessenhalber habe ich in der letzten Zeit mal vermehrt darauf geachtet, wie meine Kollegen so unterschreiben. Und siehe da, es sind überall die gleichen Kringel, Wellen, Berge und Täler und Zacken zu sehen. Nicht eine Unterschrift konnte ich finden, die ich hätte lesen können. Selbst wenn ich wusste, was das heißen sollte, ging es meist trotzdem nicht. Erkennbare einzelne Buchstaben waren äußerst selten.
Da stellt sich doch die Frage, welchen Sinn haben diese "Unterschriften" überhaupt noch? Sicher, die Idee ist gut: Der Arzt unterschreibt alles, um zu kennzeichnen, dass die Verordnung/ Anordnung auch wirklich von ihm kommt, und der Patient oder jemand anderes sich diese nicht selbst ausgedacht haben.
Aber in der Praxis sieht es doch ganz anders aus. Bei uns liegen die vorunterschriebenen Blankoschecks vorne an der Anmeldung, es wäre im laufenden Betrieb nicht möglich, jedes Wiederholungsrezept etc. immer dann neu zu unterschreiben. Nicht bei den Massen Rezepten, die Tag für Tag über unseren Tresen gehen. Und die Rezepte, die ich persönlich ausdrucke, weil ich dem Patienten etwas neues verschreibe, sind damit ja sozusagen von mir vidiert, die unterschreibe ich nun auch nicht noch einmal extra.
Überhaupt finden sich alle Rezepte und Verordnungen im Computer und im Zeitalter von NSA und Co. ist es ein leichtes, nachzuvollziehen, wer wann welches Rezept ausgestellt hat. Wäre es da nicht sinnvoll, den nächsten Schritt zu gehen und Rezepte und ähnliche Verordnungen nur noch elektronisch zu vidieren? Das wäre auf jeden Fall sicherer als ein doch leicht nachzumachender Klapperschlangenkringel. Zumal das Vorunterschreiben die Sache noch unsicherer macht.
Ich glaube nicht, dass unsere Damen am Tresen sich an den bereits unterschriebenden Rezepten vergreifen, aber ein schneller Griff eines Patienten im unbeobachteten Moment würde auch völlig genügen. Und am Computer Rezepte nachbedrucken ist nicht schwer. Wenn man sich allerdings eh soviel Mühe macht, kann man auch den Kringel fälschen, so schwer ist es wirklich nicht.
Und welcher Arzt kann dann später mit Sicherheit sagen, dieser Kringel ist von mir und der nicht? Also ich kann es nicht, meine Kringel variieren je nach Tagesform. Natürlich gibt es die "harten Sachen" nur auf BTM-Rezept, das anderen Sicherheitsvorkehrungen unterliegt, aber mal ehrlich, es gibt genug Dinge, die man auf Kassen- oder Privatrezept bekommt, die bestimmt auch gerne auf dem Schwarzmarkt vertickt werden. Ich denke da an Sachen wie Zolpidem oder bestimmte Schmerzmittel wie Tilidin zum Beispiel.
Und welcher Apotheker ist ein Falscher-Kringel-Experte? Ich glaube wirklich, dass es sinnvoller wäre, für in Praxen ausgestellte Rezepte eine elektronische Vidierung einzuführen. Sicher, kein System ist fälschungssicher, aber etwas sicherer wäre es schon. Und meine Hand hätte endlich Kringel-Pause.