Enttäuschte Erwartungen nach einem chirurgischen Eingriff führen immer wieder zu Konflikten zwischen Arzt und Patient. Eine 69jährige Patientin klagte nun auf Schadensersatz, da sie nach einer urologischen Operation an einer Dyspareunie litt. Die entscheidende Frage ist, ob ein ärztliches Fehlverhalten vorliegt.
Kasuistik:
Eine 69jährige Patientin wurde aufgrund einer zunehmenden Belastungsharninkontinenz sowie rezidivierender Harnwegsinfekte bei Zystozele nach entsprechender Aufklärung mittels Implantation einer TOT-Plastik (transobturatorisches Tape) sowie vorderen und hinteren Kolporrhaphie mit Netzeinlage urologisch operiert. Vier Monate später stellte sich die Patientin erneut vor, da sie über Beschwerden beim Geschlechtsverkehr klagte. Die konsiliarische gynäkologische Untersuchung ergab eine Rektozele sowie eine Vagialverengung, woraufhin eine gynäkologische Revisionsoperation erfolgte.
Daraufhin klagte die Patientin auf Schadenersatz in Höhe von €50.000, da sie den Urologen Behandlungsfehler sowie eine unzureichende Aufklärung vorwarf und die entgangene Freude am Geschlechtsvekehr mit Geld aufzuwiegen sei. Als Grundlage für die Berechnung trug der Anwalt eine durchschnittliche Koitusfrequenz von zwei- bis dreimal pro Woche bei einem Marktwert von €60 pro Geschlechtsakt und einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 85 Jahren vor, wobei die abnehmende Frequenz mit zunehmendem Lebensalter berücksichtigt wurde. Ein vom Gericht beauftragtes Gutachten konnte keine Fehler bei der Operation feststellen. Ob präoperativ über das typische Risiko von Kohabitaionsschwierigkeiten informiert worden war, konnte nicht sicher geklärt werden, da dies laut Aussagen des aufklärenden Assistenzarztes zwar erfolgt wäre, eine entsprechende Dokumentation jedoch fehlte.
Das Gericht wies die Klage mit dem Hinweis ab, es könne kein Behandlungsfehler festgestellt werden, und auch die postoperativen Schmerzen beim Geschlechtsverkehr ließen keinen Rückschluss auf einen Kunstfehler zu (AZ: 25 O 349/13). Auch bei einer in diesem Punkt möglicherweise unzureichenden Aufklärung könne die Klägerin nicht plausibel darlegen, dass sie sich bei einem Hinweis auf eine mögliche postoperative Dyspareunie aufgrund des erheblichen präoperativen Leidensducks und fehlenden adäquaten Behandlungsalternativen gegen den Eingriff entschieden hätte.
Die Patientin legte keine Berufung ein.
Dieser Fall verdeutlicht einmal mehr, dass Patienten von heute die Gerichtsgegner von morgen sein können und dass ein scheinbar unkompliziert verlaufener chirurgischer Eingriff kein Garant für Zufriedenheit ist, denn die Neigung, postoperative Beschwerden auf ein ärztliches Fehlverhalten zurückzuführen, ist groß. Zudem hat die Schadenersatzforderung dieser Patientin ein gewisses Schmunzelpotential, denn es stellt sich die Frage, ob es statthaft ist, den Wert privaten Geschlechtsverkehrs mit dem Marktwert von gewerblichem Sex anzusetzen. Die Kreativität von Patientenanwälten bei der Konstruktion von Schadenspositionen ist oft bemerkenswert.
Jedenfalls sollte man auch bei einer postmenopausalen Patientin ein intaktes Sexualleben nicht von vorne herein ausschließen und dies bei der Aufklärung offen ansprechen.
Mein Bauchgefühl als juristischer Laie findet dieses Urteil richtig.
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