Die Beschneidungsdebatte hat gezeigt, dass die Ansichten zur rituellen Beschneidung von Jungen kontrovers sind. Ein aktuelles Urteil mahnt, den Kindeswillen zu berücksichtigen. Wie ist der Standpunkt der DGU?
In ihrem Jahresrückblick 2013, der an alle Mitglieder verschickt wurde, nimmt die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) Stellung zur aktuellen Beschneidungsdebatte.
Nachdem im Mai 2012 das Kölner Landgericht in einem Kunstfehlerprozess, in dem die Eltern eines moslemischen Jungen den behandelnden Arzt wegen postoperativer Komplikationen nach der Zirkumzision verklagt hatten, geurteilt hatte, dass dieser Eingriff medizinisch nicht indiziert und damit strafbar gewesen wäre, sah sich das Bundesjustizministerium gezwungen eine diesbezügliche gesetzliche Regelung zu treffen. Das Gesetz trat nach Beschluss des Bundestages Ende 2012 in Kraft und regelt, wer und unter welchen Umständen eine fachgerechte rituelle Zirkumzision bei Jungen durchführen darf.
Ein wichtiger Punkt in dieser Debatte war und ist die Berücksichtigung des (mutmaßlichen) Kindeswillens, was durch ein Urteil des Oberlandesgerichtes Hamm nochmals bekräftigt wurde. Hierzu weist die DGU darauf hin, dass die rituelle Beschneidung beispielsweise eines der elementarsten Gebote der jüdischen Religion ist und unmittelbar für die Zugehörigkeit zum Judentum steht, da der betroffene Junge ohne sie kein vollwertiges Mitglied sein und beispielsweise auch weder eine Bar Mitzwa (vergleichbar mit der christlichen Erstkommunion oder Konfirmation) oder religiöse Trauung haben kann, wohingegen sie einer möglichen Konvertierung zu einer anderen Glaubensgemeinschaft zu einem späteren Zeitpunkt nicht im Wege steht. Somit könnten die Eltern, die der Operation nach entsprechender Aufklärung zustimmen müssen, mit guten Recht davon ausgehen, im Sinne des Kindes zu handeln, da das Beschnittensein zur religiösen Identitätsbildung beitrage.
Wenn eine Zirkumzision außerhalb des Säuglingsalters durchgeführt wird, so wird nach Maßgabe der Fachverbände für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Allgemeinen davon ausgegangen, dass ab einem Alter von etwa sechs Jahren eine altersgerechte Mitaufklärung erfolgen sollte und diesbezügliche Willensäußerungen des Kindes berücksichtigt werden sollten. Dies dürfte vor allem für muslimische Eltern von Bedeutung sein, da hier die Beschneidung häufig erst im Kleinkindesalter erfolgt.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass manche Deutsche Fachgesellschaften die nicht medizinisch indizierte Beschneidung grundsätzlich ablehnen, wohingegen ihre Amerikanischen Gegenparts sie grundsätzlich befürworten.
Letztlich ist es eine Abwägung der Rechtsgüter: das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung auf der einen Seite und das Recht auf freie Religionsausübung auf der anderen. Ein wichtiger Punkt, so die DGU, sei ferner, dass dem Jungen und späteren Erwachsenen durch eine lege artis durchgeführte Zirkumzision keine gesundheitlichen Nachteile entstünden. Ganz im Gegensatz zur sogenannten pharaonischen Beschneidung von Frauen, möchte ich anmerken.
Man kann zu diesem Thema stehen, wie man will, aber ich denke, die kulturell gewachsene, religiöse Tradition der rituellen Beschneidung lässt sich nicht per Dekret abschaffen. Daher sollte sie auch nicht kriminalisiert werden. Ein Verbot würde wahrscheinlich nur zu einer Art Schwarzmarkt führen. Wenn sie denn schon erfolgen sollte, dann lieber fachgerecht durch einen Urologen oder Kinderchirurgen und in Narkose als in irgendeinem Hinterzimmer unter dubiosen Umständen.
Titelbild: © Dieter Schütz / PIXELIO