Virtual Reality kommt in unzähligen Bereichen des Lebens zum Einsatz – und nun auch in der Schmerztherapie. Erste Versuche sind vielversprechend. Patienten, die die Brille testeten, berichten von deutlich reduzierten Beschwerden.
Die Idee von Virtual Reality (VR) in der Medizin: Der stärkste Schmerz kann reduziert werden, wenn man das Gehirn überlistet: Je mehr man sich auf den Schmerz konzentriert, desto schlimmer fühlt es sich an. Überflutet man das Hirn mit Unmengen von Sinneseindrücken – wie beispielsweise das Eintauchen in eine virtuelle Welt – wird die Kapazität, um Schmerz zu verarbeiten, geringer.
Um Infektionen zu vermeiden, müssen Bandagen bei Brandopfern häufig gewechselt und abgestorbene Haut weggekratzt werden. Manchmal sind nicht einmal Morphine ausreichend, um den Schmerz erträglich zu machen. Im Shriners Hospital for Children in Galveston erhielt eine 13-jährige Patientin eine VR-Brille. Einmal aufgesetzt, startet SnowWorld: Ein Spiel, in dem man sich in einer eisigen Landschaft wiederfindet und Schneemänner und Iglos mit Bällen bewirft. Das Texas Hospital ist eines von wenigen Krankenhäusern auf der Welt, das Virtual Reality in der Schmerztherapie anwendet. „Ich hatte noch nie davon gehört und war überrascht. Als ich es zum ersten Mal probiert habe, hat es mich davon abgelenkt, was die Ärzte gerade machen, das hat gegen den Schmerz geholfen,“ erzählt das Mädchen.
Befürworter der VR argumentieren, dass es eine effektive Behandlungsmöglichkeit für beinahe jeden Bereich sein könnte – von starken Schmerzen bis hin zu Alzheimer, Arachnophobie oder Depression. Seit Unternehmen wie Facebook Inc., Sony Corp., HTC Corp. und andere um die Wette entwickeln, um ein führendes Produkt in der VR-Branche im Angebot zu haben, sinkt der Preis für die Hardware. Das macht das Equipment auch langsam für Kliniken erschwinglich und stellt eine ernstzunehmende Alternative in der Schmerztherapie dar.
„Schmerz ist ein Alarmsignal für einen Schaden im Körper und er funktioniert optimal, indem er umgehend unsere Aufmerksamkeit bekommt,“ erklärt Beth Darnall, Professor an der Stanford Health Care's Division of Pain Medicine. In ihren Augen ist es ein psychologisches Tool wie Meditation, das unser Nervensystem beruhigen und unser Schmerzempfinden drosseln kann. Auch andere Kollegen beschäftigen sich seit längerem mit der Thematik. Die Psychologen Hunter Hoffman und Walter Meyer sowie Dave Patterson vom Harborview Burn Center in Seattle kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Ihre Patienten berichten von weniger Beschwerden, wenn das VR-Tool in der Therapie zum Einsatz kam. Die Schmerzminderung ließ sich sogar in MRI- (Magnetic resonance imaging) Gehirn-Scans von Patienen nachvollziehen.
Ronald Yarbrough, ein Patient im Cedars-Sinai, wartet auf ein Spenderherz. Nachdem sein künstliches Herz versagt hatte, wird er nun von einer Maschine am Leben gehalten. Yarbrough testet eine VR-Brille von Samsung mit einer speziell dafür entwickelten Software des Startups AppliedVR. Es lässt ihn zwischenzeitlich vergessen, dass er an ein Krankenhauszimmer gebunden ist, das sich für ihn oft wie eine Gefängniszelle anfühlt. Seine Muskeln entspannen sich während der Einheiten, der Schmerz geht zurück, berichtet er. „Ich nahm eine Menge Medikamente gegen den Schmerz und ich war in der Lage, das zu reduzieren, weil ich nicht die ganze Zeit herumsitze und über die Schmerzen nachdenke,“ sagt der 54-jährige.
Die Leistungsfähigkeit des Tools, vor allem wenn es um den Kampf gegen chronische Schmerzen geht, muss aber noch gänzlich nachgewiesen werden. Hält der Effekt an, wenn man die Brille abnimmt? „Wir wissen, dass Entspannungsmethoden wie Hypnose, Yoga und Meditation die Wahrnehmung von Schmerz verändern, VR in der Therapie ist ähnlich vielversprechend. Aber es ist zu früh, um die Behandlung mit Brille als Standard einzuführen. Es handelt sich um eine sehr junge Technologie,“ sagt Houman Danesh vom Mount Sinai Hospital in New York. Wo es im Moment noch Verbesserungsbedarf gibt, ist unter anderem auch der Kostenfaktor. VR-Geräte und die dazugehörige Software sind kein Schnäppchen, unter 600 Dollar bekommt man aktuell keine Brille. Mehr zum Thema finden Sie hier.