Durchblutungsstörungen sind eine mögliche Ursache für eine erektile Dysfunktion (ED). Das Auftreten einer ED kann daher auch Vorbote kardiovaskulärer Ereignisse sein. Ein Grund, über den urologischen Tellerrand zu schauen.
Herr D. ist 49 Jahre alt, hat einen Body Mass Index (BMI) von 35, raucht etwa 20 Zigaretten am Tag, nimmt einen Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten sowie ein Statin ein und leidet an einem Diabetes mellitus Typ II. Den Weg zu mir hat er gefunden, weil er seit einigen Monaten eine zunehmende Verschlechterung seiner Potenz beobachtet hat. Er hat eine zehn jahre jüngere Frau und leidet sehr unter diesem Problem.
"Es gibt doch diese Potenzpillen", sagt er. "Viagra und so. Die sollen doch sehr wirksam sein. Könnte ich das nicht einfach mal ausprobieren?"
"Im Prinzip schon", antworte ich. "Aber ganz so einfach ist das nicht."
"Wieso?"
Ich erkläre es ihm.
Patienten mit metabolischem Syndrom (Adipositas, artereller Hypertonie, Hyperlipidämie und Insullinresistenz) wie Herr D. leiden überdurchschnittlich häufig auch an einer erektilen Dysfunktion (ED). Dies ist ein klarer Hinweis darauf, dass vaskuläre Faktoren in diesen Fällen bei der Genese eine Rolle spielen. Eine Reihe von Studien konnte sogar belegen, dass das Vorliegen einer ED, ähnlich wie Rauchen, Hyperlipidämie oder familiäre Belastung ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Ereignisse darstellt. So bestand in der Placebo-Gruppe des Prostate Cancer Prevention Trial bei 9.457 Männern, die älter als 57 Jahre waren, ein um 27% erhöhtes Risiko für zukünftige kardiovaskuläre Erkrankungen, wenn eine ED jeglichen Schweregrades bestand.
Aber auch andere epidemiologische Studien wie der Olmsted County Study of Urinary Symptoms and Health Among Men, in der 1.402 Probanden über einen Zeitraum vom zehn Jahren gescreent wurden, zeigten insbesondere bei jüngeren Männern mit ED eine signifikant höhere Inzidenz von kardiovaskulären Ereignissen als bei vergleichbaren ohne ED. In einer Fallkontrollstudie mit 242 lag bei Männern unter 60 Jahren in 68,8% der der Patienten mit ED auch eine koronare Herzkrankheit vor. In einer weiteren prospektiven Studie erlitten 49 von 291 Männern mit Diabetes mellitus Typ II und stummer KHK während des Follow-up von 47 Monaten einen schweren Myokardinfarkt, wobei 61,2% der Betroffenen auch eine ED hatten, während bei den nicht betrofenen Männern nur 36,4% Potenzprobleme hatten. In einer Kohorte von 2.306 Diabetikern war die Inzidenz von kardiovaskulären Ereignissen bei 616 Männern mit ED (19,7%) deutlich höher als bei Männern ohne ED (9,5%).
Interessanterweise ist dabei eine penile Atherosklerose eher selten, häufiger und wahrscheinlich als ursächlich für die ED anzusehen ist dagegen eine Obstruktion in Höhe der Beckenarterien: Eine prospektive Sektionsstudie an 31 Männern im durchschnittlichen Alter von 68 Jahren verstorbenen Männern fand in 87,1% eine Koronarsklerose sowie in 77,4% auch eine Stenose der A. iliaca interna, aber nur in 12,9% eine Läsion im Bereich der penilen Arterien, wobei diese nur bei einem Mann isoliert war. Riskofaktor für eine penile Atherosklerose war ein Diabetes mellitus.
Zusammenfassend kann man sagen, dass eine ED die Frühmanifestation einer allgemeinen Gefäßkrankheit sein kann.
Ich habe Herrn D. daher zunächst einmal zum Kardiologen überwiesen. Dieser schickte ihn aufgrund eines pathologischen Belastungs-EKGs zur Herzkatheteruntersuchung mit dem Ergebnis einer korornaren 3-Gefäßerkrankung und der Implantation von Stents. Der Patient nimmt nun zusätzlich ASS und Clopidogrel ein, aber auch bei Bedarf einen PDE-5-Hemmer und ist darunter wieder potent.
Eine weitere Heldentat der Liebe.
Literatur:
Miner M, Seftel AD, Nehra A et al. Prognostic utility of erectile dysfunction for cardiovascular disease in younger men and those with diabetes. Am Heart J (2012): 21-28
Ponholzer A, Stopfer J, Bayer G et al. Is penile atherosclerosis the link between erectile dysfunction and cardiovascular risc? An autopsy study. Int J Impot Res (2012) 24: 137-140
Titelbild: © Rainer Sturm / PIXELIO