Nach den Plänen der GroKo sollen Patienten, die länger als vier Wochen auf einen Facharzttermin warten müssen, statt dessen auch ambulant im Krankenhaus behandelt werden können. Doch wie sollen die Fachambulanzen diese Aufgabe ohne zusätzliches Personal erbringen?
Die Gründe für mögliche lange Wartezeiten auf einen Facharzttermin sind vielschichtig: Neben dem steten Patientenandrang und der Dringlichkeit (akute Beschwerden sind schließlich anders zu bewerten als eine Vorsorgeuntersuchung) können auch finanzielle Überlegungen eine Rolle spielen. Da das Praxisbudget für Kassenpatienten gedeckelt ist, kann es entscheidend sein, ob ein Termin noch im laufenden oder zu Beginn des nächsten Quartals vergeben wird, um zumindest das – in Bezug auf urologische Praxen eher niedrige – Regelleistungsvolumen zu erhalten. Während nämlich der Arzt für die Behandlung eines Privatpatienten immer Anspruch auf sein Honorar hat, behandelt er einen gesetzlich versicherten Patienten quasi umsonst, wenn sein Budget erfüllt ist, und kann sogar in Regress genommen werden, wenn er mit einem Rezept für diesen Patienten zusätzlich sein individuelles Arzneimittelbudget, das er verordnen darf, überschreiten würde. Eine Arztpraxis ist jedoch auch ein mittelständiger Betrieb und muss daher nicht nur sozial, sondern auch wirtschaftlich arbeiten.
Diese Hintergründe sind vielen Patienten unbekannt und werden auch von Gesundheitspolitikern gerne verschwiegen. Statt dessen wird lieber auf die Ärzte geschimpft und über eine Zwei-Klassen-Medizin geklagt.
Nun sollen die Klinikambulanzen nach den Plänen der GroKo die Suppe auslöffeln. Jeder, der länger als vier Wochen auf einen Facharzttermin warten muss, was beispielsweise bei Orthopäden oder Urologen außerhalb von Notfällen keine Seltenheit ist, soll sich statt dessen auch im Krankenhaus vorstellen dürfen und dort ambulant behandelt werden. Damit werden natürlich die niedergelassenen Kollegen unter Druck gesetzt, aber auch die Krankenhäuser vor Probleme gestellt. Zwar winken hier möglicherweise Mehreinnahmen, welche je nach Chefarztvertrag und KV-Ermächtigung der Klinik und/oder dem leitenden Arzt anteilsmäßig zugute kommen können. Doch können die Ambulanzen diesen potentiellen Patientenstrom überhaput bewältigen?
Klar ist, dass sicherlich nicht der jeweilige Chefarzt alle diese Kassenpatienten sehen wird, sondern nachgeordnete Ärzte, im besten Fall Oberärzte, wahrscheinlich aber eher Assistenzärzte. Inwieweit dies dann auch Fachärzte sind, darf spekuliert werden, denn längst nicht jede Abteilung verfügt über eine ausreichende Zahl von Assistenzärzten mit abgeschlossener Weiterbildung, um eine entsprechende Versorgung durchgehend sicher zu stellen. Und dass für eine solche zeit- und arbeitsaufwändige Sprechstunde zusätzliche – in den Augen der Verwaltung teure – Fachärzte eingestellt werden, darf in Anbetracht der angespannten finanziellen Lage vieler Krankenhäuser stark bezweifelt werden.
Unsere Abteilung besteht aus einem Chefarzt, drei Oberärzten und sechs Assistenzärzten (davon eine Halbtagsstelle und eine Drittmittelstelle). Bedingt durch Urlaubszeiten, freien Tagen nach Bereitschaftsdiensten, Fortbildungen, Überstundenabbau und Krankheit ist es jedoch eher die Ausnahme, dass wirklich alle anwesend sind. Von diesen sechs Assistenten ist stets einer vormittags mit der ESWL beschäftigt. Hinzu kommen Einsätze in den Operationssälen, die Arbeit auf den Stationen, die Versorgung von ambulanten Chemotherapiepatienten, die bisherigen Sprechstunden, Besprechungen und administrative Tätigkeiten. Insgesamt werden pro Jahr allein etwa 2.500 stationäre Fälle behandelt. Unbezahlte Überstunden sind die Regel, nicht die Ausnahme.
Wer soll da noch zusätzliche Patienten mit einer guten Qualität versorgen?
Auch um die niedergelassenen Kollegen zu unterstützen, sollte man es sich aus meiner persönlichen Sicht daher gut überlegen, ob man als Klinik auf diesen Zug aufspringt. Die Wartezeit auf einen Termin in einer Fachambulanz wird aus organisatorischen Gründen und sollte aus berufspolitischen Gründen nicht grundsätzlich kürzer sein als auf einen Praxistermin.
Titelbild: © Rosi v. Dannen / PIXELIO