Die sogennanten Vorsorgeuntersuchungen sind mittlerweile in vielen Fachbereichen etabliert und werden von den Patienten mit unterschiedlicher Häufigkeit wahrgenommen. So ist die Akzeptanz bei Frauen besser als bei Männern. In diesem Zusammenhang tauchen immer wieder Fragen auf.
Herr K. (71 J.) schaut mich vorwurfsvoll über den Rand seiner Brille hinweg an, als sei ich persönlich für seine Situation verantwortlich. Gerade musste ich ihm erklären, dass die bei ihm aufgrund einer PSA-Elevation auf 5,46 ng/ml durchgeführte Prostatastanzbiopsie tatsächlich den Karzinomverdacht, wahrscheinlich in einem frühen organbegrenzten Stadium, bestätigt hat und nun eine Entscheidung über die Therapie zu treffen ist. Meine Aufgabe ist es, ihn zu informieren und zu beraten. Doch schon in der Antike konnte es dem Überbringer schlechter Nachrichten passieren, geköpft zu werden.
"Warum habe ich einen Prostatakrebs?" fragt er mit reichlich Bitterkeit in der Stimme. "Ich war doch immer bei der Vorsorgeuntersuchung!"
Damit gehört er zu jenen 21% der berechtigten Männer, die das Angebot der Krebsfrüherkennung wahrnehmen. Bei Frauen ist die Akzeptanz mit knapp 50% höher, aber immer noch zu gering. Der allgemeine Gesundheitscheck ab 35 Jahren wird noch seltener in Anspruch genommen (Stand: 2011 laut AOK). Ausschlaggebend hierfür dürften – neben der Meinung vieler Versicherter, dass es kaum Sinn mache, ohne Beschwerden den Arzt aufzusuchen – auch die Unsicherheit über die Art der Untersuchung, die ja unangenehm sein könnte, sowie Krankheitsängste sein.
Herrn K.'s Missverständnis ist weit verbreitet: Diese Art der Vorsorge schützt eben nicht vor Krebs. Ziel der Früherkennung ist eine möglichst frühzeitige Diagnosestellung, um besonders bei einigen der häufigsten Krebserkrankungen die Heilungs- und damit Überlebenschancen zu verbessern. Im Falle des Prostatakarzinomes konnte so trotz steigender Inzidenz die Mortalität gesenkt werden. Aber Früherkennung ist eben keine Prävention, da sie der Erkrankung nicht vorbeugt, sondern erst zum Tragen kommt, wenn das Kind gewissermaßen schon in den Brunnen gefallen ist. Der Begriff "Vorsorge" suggeriert hier leider etwas Falsches und sollte aus meiner Sicht in diesem Zusammenhang besser nicht verwendet werden.
Leider geben die gesetzlichen Krankenversicherer bisher vor allem Geld für die Früherkennung, aber kaum für die Primärprävention aus, obwohl letztere langfristig gesehen Kosten spart. Echte Vorsorge ist zeitaufwendig, wird jedoch nicht oder nur unzureichend vergütet.
Wir wollen, dass Sie gesund bleiben! war der Slogan einer großen Deutschen Krankenkasse (Hintergedanke: ..., denn dann kosten Sie und kein Geld.) Doch wie ernst ist es den Gesundheitspolitikern damit?
Titelbild: © flown / PIXELIO