Die BCGitis ist eine zum Glück seltene Komplikation nach Immuntherapie mit dem Bacillus Calmette-Guérin, kann jedoch im Einzelfall einen dramatischen Verlauf nehmen. Eine aktuelle Kasuistik.
Ein 74jähriger Patient, der wegen eines pTis/pT1 High Grade Urothelkarzinoms der Blase mit einem BCG-Basiskurs behandelt wurde, kam als Notfall auf unsere Station, nachdem er kurz nach der ambulanten 5. wöchentlichen Instillation in der Praxis seines niedergelassenen Urologen einen akuten Harnverhalt mit begleitendem Schüttelfrost entwickelt hatte. Hinweise auf eine Epididymitis bestanden nicht; laborchemisch lagen eine Leukozytose von 10.100/µl bei normalem CRP sowie im Urinstatus eine nitritnegative Leuko- und Erythrozyturie vor. Unter dem Verdacht eines fieberhaften Harnwegsinfektes leiteten wir daher nach transurethraler Harnableitung eine i.v.-Antibiose mit Ciprofloxacin ein. Darunter entfieberte der Patient jedoch nicht. Da der Patient auch über Husten klagte, wurde eine CT-Thorax angefertigt, welche beidseitige pneumonische Infiltrate mit begleitenden Pleuraergüssen zeigte, so dass wir ihn auf unsere internistische Abteilung verlegten. Dort persistierte das Fieber trotz Umstellen der Antibiose, und die Verlaufkontrolle zeigte eine Zunahme der pneumonischen Infiltrate sowie ein verändertes Lungengerüst mit retikulärer bis mikronodulärer Zeichnungsvermehrung. Der Allgemeinzustand verschlechterte sich bis der Patient intensivpflichtig wurde. Unter dem dringenden Verdacht einer BCGitis im Sinne einer Milliartuberkulose wurde daher nach konsiliarischer Rücksprache mit uns eine tuberkulostatische Therapie mit Isoniazid, Rifampicin und Ethambutol eingeleitet. Augrund einer sich entwickelnden Ateminsuffizienz musste der Patient schließlich intubiert und beatmet werden. Er kämpft immer noch um sein Leben mit ungewissem Ausgang.
Die intraveskale Immuntherapie mit BCG, bei der in definierten Abständen wöchentliche Instillationen er bis zu einem Zeitraum von 36 Monaten erolgen, wird bei Patienten mit oberflächlichen Hochrisikokarzinomen (Carcinoma in situ, pT1 High Grade) auch von den Leitlinien empfohlen, um das Rezidiv- und Progressionsrisiko zu senken. Der antineoplastische Effekt wird auf eine unspezifische Aktivierung des lokalen Immunsystems durch den Keim zurückgeführt. Glücklicherweise treten schwere Nebenwirkungen nur in <5% der Fälle auf, es sind jedoch auch schon Todenfälle durch eine BCG-Sepsis beschrieben worden. Wichtig ist, dass die Beschwerden Tage und Wochen nach der Immuntherapie auftreten können. Jeder Urologe, der BCG anwendet, sollte sich daher auch mit der Behandlung vom Komplikationen auskennen.
BCG ist ein lebender, attenuierter Stamm von Mycobacterium bovis, dem Erreger der Rindertuberkulose. Der Pathomechanismus der BCG-Nebenwirkungen beruht wahrscheinlich auf einer Keiminvasion durch Epithelläsionen, welche dann zu einer Bakteriämie führt. Aus diesem Grund sollte die erste BCG-Applikation frühestens zwei Wochen nach transurethraler Resektion des Blasentumors erfolgen. Eine in der normalen Urinkultur scheinbar abakterielle Zystitis und der Nachweis von M. bovis im Urin können häufig festgestellt werden, wobei in etwa 2,9% der Fälle auch leichtes Fieber auftreten kann. Typisch, aber seltener sind Epididymitiden. Gefürchtet sind dagegen systemische Infektionen, die insbesondere bei immunkompromitierten Personen dramatisch verlaufen können. Bei akuter Symptomatik nach Instillation kann eine prophylaktische Gabe von Isoniazid zur Verhinderung einer Systeminfektion versucht werden.
Zur Therapie der BCGitis wird eine tuberkulostatische Dreifachbehandlung mit Isoniazid, Rifampicin und Ethambutol empfohlen; Pyrazinamid kann entfallen, weil Mycobacterium bovis var. BCG resistent ist. Da es sich um einen attenuierten Keim handelt, gilt auch eine durch BCG ausgelöste Milliartuberkose als nicht infektiös. Es handelte es sich aber um eine unerwünschte Arzneimittelwirkung, die als solche immer gemäß §6 Abs. 3 IfSG an das Paul-Ehrlich-Institut zu melden ist.
Literatur:
Robert-Koch-Institut (Hrsg.). BCGitis nach Immuntherapie eines Blasenkarzinoms. Epidemiologisches Bulletin 18/2006; 137-139.