"Es wäre eine Sünde, ein so köstliches Getränk den Ungläubigen zu überlassen." (Papst Clemens VIII. über den sogenannten Trank des Satans, als er Kaffee mit einem Kirchenbann belegen sollte.)
"Also, wissen Sie, Herr Doktor", echauffierte sich Frau Sch. aus T. bei K., deren Gatte Willi neben ihr saß. "Ich habe meinem Mann schon oft gesagt, er muss weniger Kaffee trinken. Seit er sich diese sündhaft teure Espressomaschine gekauft hat – ich meine 1.500 Euro für eine Kaffeemaschine und noch mal 500 Euro für eine Kaffeemühle, das ist doch Wahnsinn, und dann noch diese sündhaft teuren Kaffeebohnen – jedenfalls seitdem trinkt er morgens ein bis zwei Cappuccinos zum Frühstück, jeweils aus einem doppelten Espresso, dann im Laufe des Vormittags einen Espresso macchiato, nach dem Mittagessen einen doppelten Espresso und dann über den Nachmittag bis nach dem Abendessen – wir essen meistens abens noch einmal warm – nochmal zwei bis drei. Das ist doch zuviel! Das kann nicht gesund sein. Aber er hört einfach nicht auf mich."
Eigentlich hatte ich Herrn Sch. gefragt, wie es ihm ginge. Aber bevor Willi hatte antworten können, hatte seine Ehefrau schon zu ihrer Litanei angesetzt.
"Et schmeckt mir halt jot." bemerkte Herr Sch.
Zum Hintergrund der Geschichte: Herr Sch. hatte sich kürzlich wegen einer Nierenkolik in unserer stationären Behandlung befunden, verursacht durch einen etwa drei Millimeter großen Harnleiterstein, welcher letztlich spontan abgegangen war, ohne dass wir eine Chance gehabt hätten, invasiv tätig zu werden. Für den Patienten ein erfreulich unkomplizierter Verlauf, DRG-technisch eher ein Desaster: Notaufnahme, Analgetikainfusion, Computertomographie, Steinabgang und Entlassung innerhalb von 24 Stunden. Jetzt war Herr Sch. in unsere Sprechstunde gekommen, um sich noch einmal beraten zu lassen, wie er einer erneuten Steinbildung vorbeugen könnte. Da er zwar privatversichert war, jedoch mit Regelleistung ohne Chefarztbehandlung, war er nicht beim Professor, sondern bei mir gelandet.
Nun, die Beratung zur Harnstein-Metaphylaxe war relativ einfach erledigt: ausgewogene Ernährung, ausreichend Bewegung und vor allem viel Trinken (einschließlich Kaffee). Doch dieser Fall bewog mich, doch noch einmal den Zusammenhang von Kaffeekonsum und Gesundheit zu recherchieren.
"Der regelmäßige Genuss von drei, vier oder mehr Tassen Kaffee übt auf zahlreiche Organe und Körperfunktionen einen positiven Einfluss aus. Bei manchen Erkrankungen scheint Kaffee sogar einen deutlichen vorbeugenden oder schützenden Effekt zu haben. Grundsätzlich muss also in den meisten Fällen aus medizinischen Gründen nicht auf Kaffee verzichtet werden. Im Einzelfall sollte man aber noch einmal mit einem Arzt Rücksprache halten. Insbesondere gilt dies für Frauen in der Schwangerschaft." (Deutsches Grünes Kreuz, 2009)
Kaffee zählt in Deutschland, aber auch weltweit zu den beliebtesten Getränken: Etwa dreiviertel der Deutschen über 18 Jahren trinken ihn täglich. Trotzdem hält sich hartnäckig – durchaus auch unter Ärzten – das Vorurteil, Kaffeekonsum könne der Gesundheit schaden, obwohl sich dies nicht unbedingt objektivieren lässt.
Kaffee besteht zunächst einmal aus Wasser. Darin befinden sich als Lösung und bei Espresso oder French Press auch als Emulsion und Suspension in abnehmender Konzentration aufgelistet unter anderem Kohlenhydrate, Lipide, Proteine, Chlorogensäuren, Mineralstoffe und Koffein. Kaffee ist aber auch ein nicht zu unterschätzender Lieferant von antioxidativen Substanzen, worauf eine Vielzahl seiner positiven Wirkungen zurückgeführt wird. Röstkaffee soll einen stärkeren antioxidativen Effekt haben als grüner Tee. Bereits eine Tasse deckt 10% des Tagesbedarfs an Niacin (Vitamin B3).
Die pharmakologischen Wirkungen von Kaffee sind daher vielfältig: Das Alkaloid Koffein blockiert im Köper den Adenosin-Rezeptor, worüber die stimulierende (anregende und konzentrationsfördernde) sowie leicht antidepressive Wirkung erklärt wird, da es zu einer vermehrten Ausschüttung von Adrenalin und Dopmain kommt. Das Vorurteil, Kaffee steigere bei Gesunden das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, insbesondere der arteriellen Hypertonie, so dass bereits Erkrankte keinen Kaffee mehr trinken dürften, ist allerdings in dieser Form nicht haltbar. Tatsächlich steigt nach dem Kaffeegenuss der Blutdruck insbesondere bei Menschen, die ihn nicht regelmäßig trinken, kurzfristig leicht an. Ein Langzeiteffekt konnte jedoch bisher weder bei Gesunden, noch bei Hypertonikern nachgeweisen werden. Lediglich bei übergewichtigen Männern im Alter von über 70 Jahren, die zusätzlich Koffein genetisch bedingt langsamer verstoffwechseln als normal, ist Vorsicht geboten. Auch das Risiko von Hertrhythmusstörungen, Herzinfarkten oder Schlaganfällen wird wahrscheinlich gesenkt, wobei der schützende Effekt mit der Menge des konsumierten Kaffees teilweise eher zuzunehmen scheint.
Eine ähnliche Korrelation konnte für das Risiko, an einem Diabetes mellitus Typ 2 zu erkranken, gezeigt werden. Ferner gibt es Hinweise, dass Kaffee nicht nur dem Progress einer Leberzirrhose entgegen wirkt, sondern möglicherweise sogar das Leberzellkarzinom-Risiko senkt. Eine generelle Empfehlung, dass Patienten mit gastroösophagealem Reflux auf Kaffee verzichten sollten, ist nicht evidenzbasiert, sondern scheint auf entsprechend empfängliche Patienten beschränkt zu sein. Im Hinblick auf gastointestinale Karzinome konnte bisher keine negative Wirkung von Kaffee festgestellt werden; auch ein Zusammenhang mit Dyspepsie ergab sich nicht. Kaffeetrinker haben dafür offenbar ein geringeres Risiko, an einer Alzheimer-Demenz zu erkranken. Kaffeeextrakte können nachweislich die 11-Betahydroxysteroid-Dehydrogenase Typ 1 hemmen, welche Cortison in das biologisch aktive Cortisol umwandelt und derzeit im Fokus der Forschung über Diabetes mellitus Typ II und das metabolische Syndrom steht. Obwohl Koffein im Körper zu Harnsäure abgebaut wird, soll ein hoher Kaffeekonsum den Harnsäurespiegel im Blut senken und würde somit vor Gicht schützen.
Auch die diuretische Wirkung von Kaffee ist geringer als angenommen: Zwar erhöht Koffein kurzfristig die Flüssigkeitsdiurese der Nieren, dieser Effekt lässt jedoch rasch nach. Etwa 84 % der durch Kaffee aufgenommenen Flüssigkeit scheidet der Körper wieder über den Urin aus; bei Wasser sind es bis zu 81 %. Eine vernachlässigbarer Differenz, so dass Kaffee in die tägliche Flüssigkeitsbilanz einbezogen werden kann.
Chlorogensäure ist eine antioxidative Substanz, deren Isomere schützen die DNA vor Schäden schützt, ein Effekt, der in Vitro sogar wirksam gegen Schäden durch Gammastrahlen nachweisbar war. Sie verlangsamt die postprandiale Aufnahme von Glucose ins Blut. Dies unterstützt die Beobachtung, dass Chlorogensäure im Tiermodell eine antidiabetische Wirkung zeigte. Außerdem wurde ein antihypertensive Effekt bei gesunden Menschen entdeckt.Chlorogensäure hemmt die Thrombozytenaggregation. Im Tierversuch an schwedischen Mäusen wurde an verschiedenen Magenulcusmodellen eine positive Wirkung nachgewiesen.
Auf der Negativseite steht, sofern man dies überhaupt so werten kann, dass Kaffee mit seinem Hauptwirkstoff Koffein eine leichte Abhängigkeit erzeugt. Abruptes Absetzen kann daher – meist milde – Entzugserscheinungen auslösen, welche Symptome wie Kopfschmerzen, Erschöpfung, Schläfrigkeit, Unzufriedenheit, depressive Verstimmung, Konzentrationsstörungen und/oder Reizbarkeit umfassen kann. Diese Beschwerden setzen 12 bis 24 Stunden nach dem letzten Koffeinkonsum ein, erreichen nach 24 bis 48 Stunden ein Maximum und halten etwa zwei bis neun Tage an. Da Kaffee jedoch eine legale, frei verfügbare Droge ist, stellt diese Sucht in der Regel kein Problem dar. Ferner scheint ungefilterter Kaffee durch das enthaltene Cafestol und Kahweol in Einzelfällen den Cholesterinspiegel zu erhöhen. Und Koffein stimuliert die Magensäure-Sekretion und die Kontraktion der Gallenblase.
Forscher, die an einer seit 22 Jahren laufenden Studie der Harvard School of Public Health beteiligt sind, kommen daher zu dem Schluss, dass insgesamt der gesundheitliche Nutzes des Kaffeekonsums die Risiken übersteigt.
Die Gefahr einer Koffeinintoxikation mit Symptomen wie Unruhe, Erregung, psychische Veränderungen, Tachykardie, Harndrang und Schlafstörungen ist bei normalem Kaffeekonsum nicht gegeben. Für gesunde Erwachsenen wird die letale Dosis mit etwa 10 g Koffein angegeben, was etwa 200 Tassen doppelten Espressos entspricht. Erste Vergiftungserscheinungen können jedoch bereits – je nach Gewöhnung – ab 1 g Koffein auftreten. 1 g Koffein sind in 10 Liter handelsüblicher Cola oder etwa zwölf Dosen handelsüblicher Energy-Drinks enthalten. Interessanterweise unterscheidet sich der Koffeinmetabolismus von Kindern nicht von Erwachsenen. Latte macchiato ist in Italien ein typisches Kindergetränk.
Abschließend sei noch bemerkt, dass ich Herrn Sch. nicht geraten habe, seinen Espresso-Konsum aufgrund seiner Urolithiasis einzuschränken.
Zum Leidwesen seine Gattin: "Ach?"
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Fotos: © Jungfernmühle (1), knipseline (2) / PIXELIO