Das Englische Wort Evidence wird gerne mit Beweis übersetzt. Dies ist jedoch nicht ganz korrekt, sondern es bedeutet eher Indiz, also Hinweis. Evidenzbasierte Medizin (EbM) ist also das Ergebnis eines Indizienprozesses.
Leider haben sich für die vorgestellte Fallschirmstudie immer noch nicht genügend Probanden gefunden, die bereit sind, sich randomisieren zu lassen, da niemand bereit ist, zur Kontrollgruppe zu gehören, so dass wir uns diesbezüglich wohl weiter einzig auf den Konsens der Experten verlassen müssen statt auf harte wissenschaftliche Fakten.
An dieser Stelle wurde schon mehrfach darüber diskutiert, dass es für medizinische Laien schwierig oder sogar unmöglich sein kann, die Fülle an medizinischen Informationen sinnvoll einzuschätzen, die es im Internet gibt. Aber auch für einen Arzt ist es mitunter nicht leicht, aus der unüberschaubaren Masse der allein in seinem Fachgebiet publizierten Daten, die Arbeiten herauszufiltern, die für ihn tatsächlich relevant sind. Denn getreu dem Motto "trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast" sind längst nicht alle Studien das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind. Im Sinne der EbM ist daher die Arbeit des Deutschen Cochrane Zentrums, das durch die Erstellung systematische Reviews Therapien bewertet, wichtig und sinnvoll.
Doch wie kann ich als Leser wissenschaftlicher Artikel eine Literaturbewertung durchführen, die es mir erlaubt, einzuschätzen, ob sich die Lektüre wirklich lohnt?
Die erste Frage, die man sich stellen sollte ist: Sind die Ergebnisse tatsächlich gültig? Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der internen Validität. So sind unterschiedliche Studientypen für unterschiedliche Fehler wie einen Bias anfällig. Kriterien wie Randomisierung, Verblindung, Auswahl der Studienpopulation oder Definition der Endpunkte spielen hierfür eine Rolle.
Die zweite Frage ist: Was sind die Ergebnisse? Häufig werden zum Beispiel statistische Werte wie relatives Risiko oder absolute und relative Risikoreduktion angegeben. Statistische Signifikanz ist jedoch nicht gleichbedeutend mit therapeutischer Relevanz. Wenn das Konfidenzintervall bei großen Effekten auch klinisch irrelevante Effektstärken oder Gleichheit (z.B. relatives Risiko = 1,0) einschließt, so kann nicht sicher davon ausgegangen werden, dass wirklich ein relevanter Unterschied zwischen den überprüften Therapien vorliegt.
Die dritte Frage ist: Sind die Ergebnisse wichtig und übertragbar? Es geht um die sogenannte externe Validität. So kann eine hochselektive Studienpopulation (Ein- und Ausschlusskriterien) die Übertragbarkeit auf ein allgemeines Krankengut einschränken. Man sollte sich daher fragen, ob beispielsweise eigene Patienten an der Studie hätten teilnehmen können. Auch die Endpunkte einer Studie spielen im klinischen Alltag nicht immer eine relevante Rolle. Ein Laborparameter als Surrogatparameter hat eine andere Wertigkeit als tumorfreies Überleben oder Gesamtüberleben. Nicht zuletzt können auch Kosten-Nutzen-Überlegungen in Zeiten zunehmenden wirtschaftlichen Drucks im Gesundheitswesen eine Rolle spielen.
Glauben Sie mir, viele Studien fallen durch!
Wer das Thema vertiefen möchte, dem sei das inzwischen in vierter Auflage erschiene Buch "How to Read a Paper" von Trisha Geenhalgh empfohlen.
Fortsetzung folgt...
Titelbild: © Matthias Preisinger / PIXELIO