Die OECD-Statistikexperten kommen o h n e Berücksichtigung Medizin-spezifischer Eigenheiten im internationalen Vergleich beim deutschen Gesundheitswesen mit GKV- und PKV-Krankenversicherungssystemen mit dualen Haus und Facharztversorgungen in Klinik und Praxis erneut zu einem vernichtenden Urteil.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kommt in ihrem Bericht „Managing Hospital Volumes – Germany and Experiences from OECD Countries“ zum Ergebnis: Zu viele Krankenhausbetten, zu viele medizinische Interventionen, zu viele stationäre Verweiltage bei fraglichem Kosten-Nutzen-Verhältnis. Zur Vorbereitung einer Konferenz zur Krankenhausversorgung mit Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) soll Deutschland demnach bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hernien-Behandlungen, Hüftersatz und brusterhaltenden Operationen Spitzenreiter sein. Maß war für die OECD u. a. die Zahl der Entlassungen aus dem Krankenhaus – sie liegt in Deutschland bei 240 pro 1.000 Einwohner pro Jahr. Nur in Österreich ist sie mit 261 noch höher. Quelle:
http://www.managing-hospital-volumes.de/cms/medium/20/ManagingHospitalVolumes_GermanyandExperiencesfromOECDCountries.pdf
Doch dass eine hohe Zahl von Krhs.-Entlassungen auch mit der Kürze der Verweildauer in den Kliniken, der Arbeitsverdichtung und -intensität, mit der Komplexität der verschiedensten Eingriffe und Interventionen bzw. mit den z u s ä t z l i c h e n REHA- und Kurkliniken in Deutschland zu tun haben könnte, scheint nicht zur medizinischen Allgemeinbildung der OECD-Autoren zu gehören. Auch dass die strikte Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung mit jeweils eigenen Fach- und Spezialärzten n e b e n dem ambulanten hausärztlichen Versorgungssystem bestehen, ist wohl nicht ausreichend bekannt. Sonst würde eine Überschrift der OECD-Berichterstatter "Germany’s hospitals are more focused on inpatient care than in most other OECD countries" nicht so unfreiwillig komisch klingen.
Diese belieben bereits in ihrer Einleitung zu scherzen, wenn sie eingangs davon sprechen, dass das deutsche Gesundheitswesen die finanzielle Kapazität und den 'Appetit' haben könnte, expandieren zu wollen ["the German health care system may have the financial capacity (and appetite)..."].
Beim ersten Säulendiagramm ist allerdings Schluss mit lustig: Es zeigt eine absurd aufgespreizte Häufung von Krankenhausbetten im Ländervergleich, die von Japan mit 13,6 Betten auf 1.000 Einwohner über Deutschland mit 8,3 Betten bis zum Schlusslicht Mexiko mit 1,6 Betten auf 1.000 Einwohner reichen ["Figure 1: Hospital beds per 1000 population, 2010 (or latest year available)"]. Eine 100%ige Bettenauslastung für jeden einzelnen Tag vorausgesetzt, würden damit j e d e r Japaner bzw. j e d e Japanerin im Verlauf nur eines einzigen Jahres 5 Tage in einem Krankenhausbett verbringen. Da nach der OECDiLibrary die durchschnittliche Lebenserwartung der Japaner aktuell den Spitzenplatz von 83 Jahren im Ländervergleich anführt, hätte jeder Bewohner Japans von seiner Lebenszeit durchschnittlich knapp 412 Tage, also weit mehr als ein ganzes Jahr, im Krankenhausbett zugebracht. Jetzt könnten sich die OECD-Autoren erst mal bescheiden und darüber sinnieren, ob viele Krankenhausbetten die Lebenserwartung verlängern oder etwa umgekehrt? Doch weit gefehlt! Ausgerechnet Mexiko mit dem niedrigsten Krankenhaus-Bettenstand muss auch noch als Vergleichsland herhalten. Dass Mexiko gar nicht mit Deutschland vergleichbar ist, hätte der OECD eigentlich vorher auffallen müssen: Hierzulande gibt es viel weniger Sonne und Hitze, viel mehr Schnee (Ausnahme 'Koks'), viel weniger Smog, viel weniger Tequila, viel weniger Schusswaffengebrauch, eine viel höhere Lebenserwartung und ... viel weniger Sombreros!
(Abbildung: Hôtel-Dieu de Paris, dem heiligen Christophorus gewidmet. Ältestes Hospital in Paris , bis zur Renaissance das einzige. Im Jahr 651 als Herberge gegründet, neben der Kathedrale Notre Dame, ist es jetzt wieder ein Hotel.)