Seit Jahrhunderten versuchen Ärzte, eine medizinische Erklärung für kriminelles Verhalten zu finden. Aktuellen Studien zufolge haben Personen mit Schädel-Hirn-Trauma ein erhöhtes Risiko, im Gefängnis zu landen. Die Korrelation von Ursache und Wirkung überzeugt dabei nicht.
Laut polizeilicher Kriminalstatistik 2016 gab es deutschlandweit in 2015 genau 6.330.649 Straftaten. Ein Jahr zuvor waren es noch 6.082.064. Auch die Zahl an Gewalttaten erhöhte sich von 180.955 auf 181.386. Dazu zählen unter anderem Mord und Totschlag, gefährliche und schwere Körperverletzung, Vergewaltigung und sexuelle Nötigung beziehungsweise Raubdelikte. „Der seit dem Jahr 2009 festgestellte Rückgang der Gewaltkriminalität hat sich im aktuellen Berichtsjahr nicht fortgesetzt“, schreiben die Autoren. Und Wissenschaftler versuchen einmal mehr, Risikofaktoren zu identifizieren.
Gewaltkriminalität und Körperverletzung in Deutschland. Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik Flora Matheson, Toronto, fand heraus, dass Patienten nach einem Schädel-Hirn-Trauma 2,5 Mal häufiger im Gefängnis landen. Zusammen mit Kollegen hat die Forscherin Versorgungsdaten analysiert. Sie konzentrierte sich dabei auf junge Erwachsene zwischen 18 und 28 Jahren. Von 77.519 Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma in der Vorgeschichte verbüßten 402 Personen, also 0,5 Prozent, eine Haftstrafe. Der Beobachtungszeitraum lag bei 14 Jahren. Zum Vergleich zog Matheson Aufzeichnungen von mehr als 1,4 Millionen Bürgern ohne entsprechende Diagnose in der Vorgeschichte heran. Hier wurden 3.331 Menschen, also 0,2 Prozent, zu einer Haftstrafe im Gefängnis verurteilt. Nach Korrekturen über eine Multivariat-Analyse gibt Matheson an, das Risiko sei nach Schädel-Hirn-Traumata um den Faktor 2,47 statistisch signifikant erhöht. Bei Frauen lag der Faktor sogar bei 2,76. Sein etwas widersprüchliches Fazit aus Metaanalysen:
Vergleiche mit diagnostischen Tests und deren Präzision beziehungsweise Richtigkeit hinken. Fazel sieht seine Instrumente eher wie den Framingham Risk Score beziehungsweise QRISK. Heilberufler sollen das Gesamtrisiko eines Patienten abschätzen und auf dieser Grundlage Entscheidungen für die weitere Betreuung treffen.