Neue Medikamente haben die Therapie von Hepatitis C revolutioniert. Inzwischen sei die Krankheit leichter zu behandeln als Diabetes, sagt Dr. Nazifa Qurishi. Das wisse aber längst noch nicht jeder Arzt. Die Infektiologin fordert daher mehr Aufklärung für Hausärzte.
Das Interview in schriftlicher Ausführung:
„Wichtig ist, dass man schaut: Gibt es da bestimmte Risikofaktoren wie ein Drogenkonsum in der Vergangenheit, Tätowierungen im Gefängnis oder aber [handelt es sich bei dem Patienten um] einen Migranten aus dem Ausland. Wir haben ja eine Welle von Migranten gehabt, diese sollte man generell auf Hepatitis B und C screenen. Das haben wir hier gemacht, mit der Erfahrung, dass tatsächlich 30 Prozent Hepatitis-B-positiv waren. Dann sollte man generell schauen, ob es Auslandsaufenthalte oder Partner und Partnerinnen gab, die aus dem Ausland oder aus den entsprechenden Risikoländern stammen. Das heißt: Man schreitet zum Äußersten und unterhält sich mit dem Patienten.
Es ist so, dass gerade bei Hepatitis C die Patienten bei über 90 Prozent leicht erhöhte Leberwerte aufweisen. Das heißt, man geht einfach hin und untersucht erst mal die Leberwerte. Als nächstes, wenn der Patient sagt: Ja, es gibt entsprechende Risikofaktoren, die evtl. infrage kämen, dann würde ich als allererstes eine Antikörperbestimmung durchführen. Zum Glück ist das bei Hausärzten so, dass es Ausschlussziffern gibt, die die Untersuchungsscreenings auf Infektionskrankheiten aus dem Budget rausschleusen. 32006 ist die Screening-Ziffer. Und damit kann man eine Antikörperbestimmung durchführen. Wenn die Antikörper negativ sind, dann ist es das Ende des Screenings. Wenn allerdings die Hepatitis C Antikörper positiv sind, dann geht man – das ist so eine Step-by-step-Diagnostik – nochmal einen Schritt weiter und untersucht die Viruslast. Das heißt, wir schauen, ob da eine aktive Hepatitis C vorhanden ist. Oder sind die Antikörper vielleicht positiv, aber die Viruslast negativ? Der Patient hat also irgendwann in seinem Leben Kontakt zu Hepatitis C gehabt, nur der Körper hat das selbst behandelt. Das ist immerhin – das muss man mal sagen – in 20-30 Prozent der Fälle schon vorhanden, dass eine Spontanelimination im Körper eintritt. Das heißt, die Antikörper sind vorhanden, aber der Patient hat gar keine Viruslast. Das sind dann die Glücklichen, die keine Therapie benötigen. Ist aber die Viruslast positiv, dann ist natürlich der nächste Schritt, zu schauen, welchen Genotypen der Patient hat. In Deutschland sind die häufigsten Genotypen 1, 2, 3, 4. Sie werden auch so durchnummeriert. Diesen Auftrag gibt man dann an das Labor. Die bestimmen den Genotyp, weil davon sind die therapeutischen Möglichkeiten abhängig: Welches Medikament kommt für den Patienten infrage? Es gibt natürlich auch noch weitere Untersuchungen. Wenn der Patient Hepatitis positiv ist, muss ich natürlich einen Ultraschall machen – das hat jetzt nichts mit dem Labor zu tun – man muss sich einfach den Leberstatus angucken. Hat er evtl. schon eine Leberzirrhose, seit wann hat er Hepatitis C, wie ist die Situation in der Leber? Das kann man wunderbar mit einem Ultraschall – den die meisten Hausärzte in ihrer Praxis besitzen, denke ich – nachgucken.
Wenn ein Hausarzt selbst die Hepatitis-C-Therapie übernimmt und sagt, ich mach das, dann kann ich nur sagen: Die Hepatitis-C-Therapie hat sich revolutioniert. Seit 2014 haben wir Medikamente, die nicht mehr gespritzt werden wie damals in der Ära der Interferon-Therapie, sondern es sind rein orale Medikamente. Das sind zum Teil Kombitabletten. Das heißt, in einer Tablette sind schon zwei, drei Präparate drin. Diese Therapien sind maximal zwischen 8 bis 12 Wochen lang. Wie Sie sehen, ist es inzwischen fast schon einfacher, als einen Diabetes-Patienten zu behandeln. Sie geben dem Patienten die Therapie, kontrollieren immer die Viruslast – also für mich auch eine Art Therapiekontrolle – und dann ist man irgendwann am Ende der Therapie angekommen.
Das Budget wird eben nicht belastet, dadurch dass ich Ausschlussziffern habe – genauso wie damals, als wir die Interferon-Therapie durchgeführt haben – da konnte man die Ausschlussziffern eingeben und diese Ziffern sind weiterhin geblieben. Durch die Ziffer 90904 können Sie das Medikament – egal wie teuer das Präparat ist – aus dem Budget rausstreichen lassen. Der große Vorteil ist, dass Therapien inzwischen extrem einfach geworden sind. Nebenwirkungsarm bis nebenwirkungsfrei muss man sagen. Ich bin auch immer wieder erstaunt, wenn die Patienten die Therapie einnehmen und mich manchmal fragen, ob da auch wirklich ein Wirkstoff drin sei, weil sie merken ja nichts.
Wenn ein Hausarzt sieht, Hepatitis-C-positiv, kein Hinweis auf Leberzirrhose, ein Patient, der sonst keine weiteren Beschwerden hat, dann kann er – wenn der Hausarzt möchte – den Patienten natürlich auch selbst behandeln. Sollte er aber lieber doch nicht behandeln wollen, dann gibt es spezialisierte Zentren. Entweder zum Hepatologen, Gastroenterologen, die auch Hepatitis C behandeln oder zum Infektiologen. Generell befürworte ich es sehr, wenn ein Patient bereits im Stadium der Leberzirrhose ist, dass der Patient auch nach der Therapie noch eine engmaschige Betreuung bekommt. Denn die Leberzirrhose kriegen Sie ja jetzt nicht irgendwie komplett weggezaubert durch die Therapie. Sie können die Leberzirrhose – in welchem Stadium auch immer – sehr gut stabilisieren, dass der Patient nach einer erfolgreichen Therapie keine Beschwerden mehr hat, aber die Leberzirrhose ist ja weiterhin da. Er benötigt auch weitere Kontrollen nach der Therapie. Insofern würde ich bei einer vorhandenen Leberzirrhose sagen: ja dieser Patient gehört in ein spezialisiertes Zentrum. Aber ein Patient der wirklich sonst nichts hat, sondern nur diese Virämie im Blut, den kann auch ein Hausarzt behandeln.
Ich würde das sehr begrüßen, wenn es die Möglichkeit gäbe, dass man das im Rahmen der Check-up-Untersuchung prüft – genauso wie man Diabetes oder erhöhte Cholesterinwerte prüft – um spätere kardiovaskuläre Risiken abzuschätzen und damit man zumindest ein Mal die Leberwerte mit untersucht. Finde ich irgendwie sehr traurig, wenn man nicht weiß, wie die Leberwerte eines Patienten sind. Das sind extrem günstige Untersuchungen, die kosten ja nicht die Welt. Das gibt einem Arzt auf jeden Fall einen Hinweis, ob da etwas nicht stimmt. Jeder leicht erhöhte Leberwert gehört dann weiter abgeklärt. Das heißt, wenn ich sehe, dass die Leberwerte, gerade die GPT oder GOT oder auch GAMMA-GT leicht erhöht sind, dann würde ich tatsächlich der Sache nachgehen und schauen, ob da vielleicht doch eine Infektionskrankheit dahinter steckt.
Seitdem die neuen Hepatitis-C-Medikamente auf dem Markt sind, versuchen wir auch – allein schon unsere Praxis, gerade jetzt auch im Kölner Raum oder auch in der Umgebung – diverse Fortbildungen anzubieten für genau diese Hausärzte. [Für den Fall] wenn diese evtl. bis heute noch nicht wissen, dass es jetzt neue Hepatitis-C-Medikamente gibt. Wichtig sind schon weitere Fortbildungen, Aufklärungen seitens der Ärztekammer und KV, damit auch der letzte Hausarzt in der „letzten Ecke“ weiß, dass es diese Medikamente und Möglichkeiten und vor allem ganz einfache Therapiemöglichkeiten gibt. Wenn ich sage, eine Hepatitis-C-Therapie ist einfacher geworden als eine Diabetes-Therapie, dann meine ich das auch tatsächlich so. Eine Diabetes- oder Bluthochdruckeinstellung oder alles, was in einer hausärztlichen Praxis stattfindet, das sind chronische Therapien, die man nicht irgendwann stoppen kann. Während Sie bei einer Hepatitis-C-Therapie, wenn Sie Glück haben, schon nach acht Wochen fertig sind.“ Interessenkonflikte von Dr. Nazifa Qurishi: Berater: BMS, Gilead, MSD, Abbvie, GSK, ViiV, Novartis Referent: BMS, Gilead, MSD, Abbvie, GSK, ViiV, Hexal, Janssen, Mundipharma Frau Dr. Qurishi und die Redaktion weisen ausdrücklich darauf hin, dass der Beitrag nicht von der Pharmaindustrie gesponsert ist.