Wenn das kein Griff in die medizinische Mottenkiste ist! Da empfiehlt das CRM Reisenden in Länder mit hohem Tollwut-Risiko, "wie sie sich nach dem Biss eines Tieres verhalten sollen: Die Wunde muss sofort mindestens zehn Minuten lang mit Seifenlauge ausgewaschen werden." Und es kommt noch schlimmer: "Anschließend sollte mit 70-prozentigemAlkohol oder einem Jodpräparat behandelt werden, um das Kontaminationsrisiko zu mindern." Wie ist, bitteschön, der Evidenzgrad von Seifenlaugenwaschungen, gibt es valide prospektive Vergleichsstudien und wie ist die Compliance der Betrof- fenen? Das Ganze erinnert doch schwer an den Rat meiner Ende des 19. Jahrhunderts geborenen Großmutter, bei Vergiftungen reichlich Milch zu trinken! 70% Alkohol und Jod in reiner Form stehen beide auf einer Negativliste, 2008 von Kujath und Michelsen, Universität Lübeck, im Deutschen Ärzteblatt im Rahmen einer hervorragenden Übersicht über Wundbehandlungen veröffentlicht: "Negativliste von Präparaten zur Wundbehandlung, die aufgrund fehlen- der Wirkungsnachweise, Toxizität und hohem Allergiepotenzial nicht mehr eingesetzt werden sollten*1 ... Quecksilberhaltige Mercurochrom, Sublimat, Oxycyanid Lösungen ... Jodoform, ethanolhaltige Jod-Lösung DAB, Kaliumpermanganat,..." Stattdessen werden ohne mögliche Kontraindikationen empfohlen: "Empfohlene Antiseptika für alle Wunden*1 Polyhexanid 0,04 % (z.B. Handelsname Serasept) erfasst alle relevanten Bakterien und Pilze ist nicht sporozid/viruzid (CAVE!)Einwirkzeit 10–15 min relativ gewebsschonend (16) Octenidin-2-HCL 0,1%, Phenoxyethanol 2% (z.B. Handelsname Octenisept) erfasst alle relevanten Erreger nach einer Einwirkzeit von 2 min farblos schmerzfrei". PVP-Jodlösungen sind grundsätzlich auch empfohlen, haben aber als Kontraindikation Hyperthyreose. Wundantisepsis mit chemisch aggressiven Substanzen führt über sekundärinfizierte, oberflächliche Wundzellnekrosen geradewegs zu der Krankheit,die man zu heilen vorgibt: Die sekundäre Wundinfektion! Quelle: Dtsch Arztebl 2008; 105(13): 239–48 DOI: 10.3238/arztebl.2008.0239 Dr. med. Thomas G. Schätzler, Facharzt für Allgemeinmedizin in Dortmund |