Eine Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) ergab für gesetzlich Krankenversicherte der GKV durchschnittlich eine tägliche Einnahme von 1,5 Medikamenten. Dies ist aber e n t g e g e n der öffentlichen Meinungist keineswegs so dramatisch, wie es den Anschein haben könnte: Die extrem verbreitete "low-dose"-Prophylaxe mit ASS 50-100 mg täglich, ein Antihypertensivum für die 50 Prozent der Gesamtbevölkerung jenseits des 50. Lebensjahres, die unter Hypertonie und hypertensiver Herzkrankheit leiden, bzw. die Senkung hohen Cholesterins mit CSE-Hemmern ergeben schon drei Medikamenteneinnahmen pro Tag.
Dieses für hochentwickelte postindustrielle Länder typische Bild wird noch ergänzt durch z u s ä t z l i c h e medikamentöse Maßnahmen als Folge von Distress, Bewegungsmangel, Überernährung, metabolischem Syndrom und Diabetes mellitus. Von Systemerkrankungen wie Neoplasien, Rheuma, multipler Sklerose (MS), chronisch-entzündlichen Darmkrankheiten (CED), Epilepsie, M. Parkinson, M. Alzheimer, Kollagenosen usw. ganz zu schweigen. Viel interessanter als das ambulante medikamentöse "Grundrauschen" wäre allerdings eine WIdO-Studie zur Anzahl der täglich verabreichten Medikamente im s t a t i o n ä r e n Bereich. Tägliche Medikamentengaben von weniger als 10 verschiedenen Präparaten sind in den Krankenhäusern eher exotische Ausnahmefälle. Medikalisierung und Pathologisierung im Alltag schreiten voran.