Ernährungsphysiologisch betrachtet ist der Mensch ein "Allesfresser". Sein Verdauungstrakt und Stoffwechsel sind nur bedingt dafür geeignet, sich rein pflanzlich und noch weniger von Rohkost zu ernähren. Wir haben weder einen Pansen, noch drei Mägen und sind keine Wiederkäuer. Trotzdem können wir uns weitgehend problemlos (ovo-lakto) vegetarisch und mit etwas Aufwand sogar vegan ernähren, ohne Mangel zu erleiden. Ob dies gesünder ist als eine ausgewogene Mischkost ist wissenschaftlich betrachtet unklar.
Der Entschluss, auf Fleisch oder sogar ganz auf tierische Produkte zu verzichten, ist für viele ein moralischer. Eine Entscheidung gegen das Töten von Tieren, Massentierhaltung und die damit verbundenen Probleme. Eine Haltung, die ich zwar nicht teile, aber gut nachvollziehen kann und respektiere. Chucun à son goût.
Aber sind Vegetarier/Veganer deshalb besere, weil moralisch intergere Menschen?
Kürzlich wurde ich in der Fußgängerzone einer Deutschen Großstadt von engagierten jungen Leuten angesprochen, die für eine vegane Ernährung demonstrierten und relativ offensiv versuchten, Passanten davon zu überzeugen, sich ihnen anzuschließen, indem sie an ihr Gewissen appellierten. Solche Missionierungsarbeit ist mir suspekt. Denn genauer betrachtet unterscheiden sich Veganer und Fleischesser meiner Meinung nach moralisch nicht.
Pflanzen sind auch Lebewesen: Sie wachsen, vermehren sich sexuell (Bestäubung), bekommen Nachwuchs (Früchte/Samen), können krank werden, auf äußere Einflüsse reagieren (nach dem Licht wachsen, im Falle der Venusfliegenfalls schnell bewegen) und sogar kommunizieren (bestimmte kranke Bäume versenden Botenstoffe durch die Luft, die Artgenossen anregen, sich gegen die Krankheit besser zu schützen). Im Unterschied zu Tieren können Pflanzen nur nicht schreien und weglaufen. Sie sehen auch nicht süß aus und regen eher selten zum Streicheln und Schmusen an.
Macht die Tatsche, das sie sich von unserer (tierischen) Lebensform auf den ersten Blick grundlegend unterscheiden, sie zu minderwertigem Leben? Ich behaupte: nein! Wenn man eine Pflanze erntet, kocht und verspeist, tötet man sie. Das Essen eines Apfels könnte man provokativ mit Lammfleisch vergleichen, ein Weizenfeld mit Massentierhaltung. Warum ist das Töten einer Pflanze moralisch weniger verwerflich als das Schlachten eines Tieres? Nur weil uns Pflanzen fremder sind, wir sie nicht verstehen? In beiden Fällen wird zum Zweck unserer Ernährung Leben vernichtet.
Food for thought...
Titelbild: © Stephanie Hofschlaeger / PIXELIO