Metformin senkt nicht nur den Blutzucker, sondern wirkt krebshemmend. Zur effektiven Bekämpfung ist die verabreichte Dosis zu gering. Kombiniert man das Diabetesmedikament aber mit dem Blutdrucksenker Syrosingopine, wird die Energiezufuhr der Krebszellen gekappt.
Der Wirkstoff Metformin ist das am häufigsten verschriebene Mittel zur Behandlung von Typ-2-Diabetes. Neben seiner blutzuckersenkenden Wirkung zeigt es aber auch krebshemmende Eigenschaften. Die übliche therapeutische Dosis ist jedoch zu gering für eine effektive Krebsbekämpfung. Ein Forscherteam unter der Leitung von Prof. Michael Hall vom Biozentrum der Universität Basel hat nun eine unerwartete Entdeckung gemacht: Die krebshemmende Wirkung von Metformin entfaltet sich bereits bei geringen Dosen, wenn gleichzeitig der Blutdrucksenker Syrosingopine verabreicht wird. Wie sich herausstellte, treibt die Wirkstoffkombination Krebszellen in den „Selbstmord“.
In höheren Dosen bremst das Antidiabetikum das Wachstum von Krebszellen, mit der Einnahme des Medikaments gehen auch nach Jahren nur wenige unerwünschte Nebenwirkungen einher, in seltenen Fällen beispielsweise eine Laktatazidose. Die Forscher untersuchten über tausend Wirkstoffe dahingehend, ob sie die krebshemmende Wirkung von Metformin verstärken können. Bei diesem Screening kristallisierte sich ein Favorit heraus: Syrosingopine, ein Mittel gegen Bluthochdruck. Wie die Studie zeigte, wirkte der Cocktail aus beiden Arzneistoffen bei einem breiten Spektrum von Krebsarten. „In Proben von Leukämie-Patienten konnten wir zum Beispiel nachweisen, dass nahezu alle Tumorzellen durch den Cocktail getötet wurden und dies bei Dosen, die eigentlich nicht toxisch für die Zellen sind“, sagt Erstautor Don Benjamin. „Und die Wirkung beschränkte sich auch ausschließlich auf die Krebszellen, denn Blutzellen von gesunden Spendern waren unempfindlich für die Behandlung.“
Bei Mäusen mit bösartigem Leberkrebs bildete sich die Lebervergrößerung nach der Therapie wieder zurück. Auch die Tumorknoten wurden weniger – bei einigen Tieren verschwand der Tumor sogar gänzlich. Ein Blick auf die molekularen Vorgänge in der Tumorzelle erklärt die tödliche Wirkung der Kombitherapie: So senkt Metformin nicht nur den Blutzuckerspiegel, sondern blockiert auch die Atmungskette in den Mitochondrien. Der Blutdrucksenker Syrosingopine hemmt unter anderem den Abbau von Zuckern. Dass die Hemmung der Atmungskette einen zentralen Mechanismus darstellt, zeigten die Wissenschaftler bei einer Reihe weiterer Substanzen mit dem gleichen Wirkprinzip. Auch diese bremsten das Krebswachstum in Kombination mit dem Blutdrucksenker.
Beide Wirkstoffe stören also die Vorgänge, die in der Zelle die lebenswichtige Energie liefern. Krebszellen haben aufgrund ihrer gesteigerten Stoffwechselaktivität und des schnellen Wachstums einen besonders hohen Energieverbrauch, daher reagieren sie extrem empfindlich, wenn man ihre Energieversorgung kappt. „Wir konnten nun nachweisen, dass beide Medikamente zusammen einen größeren Effekt auf die Proliferation von Krebszellen haben als jeder Wirkstoff für sich allein“, so Benjamin. „Unsere Ergebnisse belegen, dass es sinnvoll ist, die Entwicklung kombinierter Ansätze zur Behandlung von Krebspatienten voranzutreiben.“ Diese Studie liefert zudem wichtige Hinweise für zukünftige klinische Anwendungen von kombinierten Therapien, die auf den Energiebedarf von Tumorzellen abzielen. Originalpublikation: Syrosingopine sensitizes cancer cells to killing by metforminDon Benjamin et al.; Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.1601756; 2016