Sowohl aus meiner eigenen Erfahrung aus der Notfallambulanz, als auch aus dem Gespräch mit Kollegen diverser Fachrichtungen scheint es mir in den letzten Jahren einen Trend zu geben, dass Patienten immer weniger geneigt sind, eigenverantwortlich zu handeln und bezüglich ihrer Gesundheit irgendeine selbständige Entscheidung zu treffen. Statt dessen behelligen sie lieber wegen jeder Kleinigkeit den Arzt.
Statistisch gesehen sind die Deutschen europaweit die Meister im Konsultieren von Ärzten: Im Mittel bringen wir es auf 18 Arztbesuche pro Jahr. Die Schweizer dagegen auf vier. Es scheint, dass der Deutsche bei jedem Wehwehchen (banale Erkältung usw.) ärztlichen Beistand sucht, was natürlich auch die Kosten im Geundheitswesen in die Höhe treibt. Gesunden Menschenverstand einzusetzen, bewährte Hausmittel zu nutzen oder sich erst einmal mit frei verkäuflichen Medikamenten aus der Apotheke selbst zu therapieren und den Arzt erst dann aufzusuchen, wenn dies nicht greift, scheint dagegen mega out. Der Besuch beim Hausarzt kann dann wiederum einen Rattenschwanz von Überweisungen zum Facharzt nach sich ziehen, teils um sich abzusichern, aber teils auch auf Wunsch des Patienten, der für den Einsatz seiner € 10,00 Praxisgebühr das maximale geboten bekommen möchte.
Ein typisches Beispiel: Ein 18jähriger Mann stellt sich im Notdienst vor, weil er an akuten Rückenschmerzen leidet. Die Anamnese ergibt, dass er zuvor den Garten seiner Eltern umgegraben hatte, eine für ihn ungewohnte Tätigkeit. Woher mögen wohl die Rückenschmerzen kommen? Was kann man da tun? Früher hätten viele Patienten sich mit einer Wärmflasche ins Bett gelegt oder ein heißes Bad genommen und vielleicht noch eine Schmerztablette eingeworfen. Und wahrscheinlich wären die Beschwerden am nächsten Tag besser, wenn nicht gar verschwunden gewesen. Die genannten Therapieempfehlungen hat er auch von mir bekommen. Um den Preis der Praxisgebühr und den (unnötigen ?!?) Kosten für die Behandlung.Ein anderes Beispiel, das mir zu Ohren gekommen ist: Eine ältere Patientin stellt sich nach einer Schwindelepisode bei ihrem Hausarzt vor. Dieser untersucht sie und kann keine neurologischen Auffälligkeiten entdecken. Aber um sich abzusichern, überweist er sie zum Neurologen. Dieser kann ebenfalls nichts feststellen und überweist sie daher zum Ausschluss eines vertebragenen Schwindels zum Orthopäden. Dieser veranlasst ein CT und später noch ein MRT der Halswirbelsäule beim Radiologen, welche außer leichten degenerativen Veränderungen keinen pathologischen Befund erbringen. Also überweist er die Patientin zum HNO-Arzt, um eine Erkrankung des Innenohrs auszuschließen. Dieser kann ebenfalls nichts finden. Es sind zwei Monate vergangen, ohne dass die Patientin noch an Schwindel gelitten hätte.
Was tun?
Titelbild: © Andreas Musolt