"Lohnt sich die Niederlassung noch?"
Diese Frage wurde von einem Assistenzarzt gestellt, der kurz vor der Facharztprüfung steht, und ist für seine weitere berufliche Planung nicht unerheblich. Denn die Berichte über den Einkommensrückgang in den Arztpraxen und das Klagen der Niedergelassenen ist allgegenwärtig.
Es besteht anscheinend auch ein gesellschaftspolitischer Dissens darüber, wieviel ein Arzt für seine Arbeit verdienen sollte/darf. Man hat fast den Eindruck, als müsse man als Mediziner ein schlechtes Gewissen dafür haben, dass man seinen Patienten Geld für seine (Dienst-)Leistungen abverlangt. Dabei ist der Arzt jemand mit einer abgeschlossenen Hochschulausbildung und mehrjährigen Facharztweiterbildung, also eine qualifizierte Fachkraft mit hoher Verantwortung, und hat Arbeitszeiten jenseits der 40-Stunden-Woche, Wochenenden und Feiertage eingeschlossen.
Randnotiz (Rufen Sie doch an einem Wochenende in der Nacht den Schlüsseldienst, weil Sie sich ausgesperrt haben. Sie werden Atemnot bekommen, was Sie für vielleicht noch nicht einmal fünf Minuten Arbeit bezahlen. Der Handwerker würde jedenfalls für den Stundenlohn eines Arztes im Bereitschaftsdienst noch nicht einmal den Telefonhörer abheben!)
Ein (gegebenenfalls sogar promovierter) Akademiker in einer vergleichbaren Position in der freien Wirtschaft würde ein Vielfaches von dem verdienen, was ein Arzt bekommt, sei es als Angestellter oder Freiberufler. Nur stört sich bei einem Manager keiner ernsthaft am Einkommen.
Wenn man heutzutage nicht in eine sehr gut gehende Facharztpraxis einsteigen kann, so halte ich es für ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko eine Praxis zu übernehmen, geschweige denn eine neu zu gründen. Denn die Anfangsinvestitionen sind enorm, so dass man in der Regel zunächst hoch verschuldet ist, und die mittel- und langfristige Einnahmeprognose ist in Anbetracht der laufenden Entwicklungen im Gesundheitswesen teils schwer kalkulierbar. Anders als ein mittelständischer Unternehmer kann ein Arzt seine Praxis nicht als GmbH organisieren und so sein wirtschaftliches Risiko limitieren: Geht seine Praxis pleite, haftet er auch mit seinem Privatvermögen und steht möglicherweise vor dem finanziellen Ruin.
Leider trägt man als niedergelassener Arzt nur dieselben unternehmerischen Risiken wie zum Beispiel ein Handwerksbetrieb, hat jedoch bei weitem nicht die gleichen Möglicheiten. So verbietet zum Beispiel die Berufsordnung immer noch Werbung, und die Preisgestaltung ist fest an die KV und die GOÄ gebunden. Selbst ein Rechtsanwalt ist nicht zwingend an die anwaltliche Gebührenordnung gefesselt, sondern hat zumindest bei der außergerichtlichen Tätigkeit einen Verhandlungsspielraum der Vertragsparteien, und darf für sich werben.
Lohnt sich also die Niederlassung noch? Wenn sie wohlüberlegt ist, wahrscheinlich schon. Aber man sollte sich der Risiken bewusst sein.
Titelbild: © Thommy Weiss / PIXELIO