Viel zu selten greifen junge Patienten oder deren Eltern zum rettenden Adrenalin-Injektor. Weder Ärzte noch Apotheker beraten auf diesem Gebiet ausreichend, wie kanadische Forscher kritisieren. Bei uns müssen Hersteller Schulungsmaterialien bereithalten und neue Daten erfassen.
Eigentlich sollte es Patienten mit Autoinjektoren gelingen, sich selbst oder Familienmitgliedern dringend benötigte Medikamente zu verabreichen. Medizinische Kenntnisse benötigen sie nicht. Doch wie so oft ist der Sprung zwischen Theorie und Praxis gewaltig, berichten Wissenschaftler in einer kürzlich veröffentlichten prospektiven Kohortenstudie.
Andrew O'Keefe aus dem kanadischen St. John's untersuchte den Einsatz von Autoinjektoren in der Pädiatrie. Bei einer drohenden Anaphylaxie wird Adrenalin verabreicht. Zu den praktischen Erfahrungen befragte der Forscher Eltern von 292 betroffenen Kindern. Alle Patienten hatten ein erhöhtes Anaphylaxie-Risiko. In 68,5 Prozent aller Fälle erhielt O'Keefe detaillierte Informationen. Rund 87 Prozent aller Kinder reagierten allergisch auf Nahrungsmittel. Im Beobachtungszeitraum traten bei 47 Personen 65 anaphylaktische Reaktionen auf. 69 Prozent der Ereignisse galten als moderat. Zwei Drittel (66,2 Prozent) der Betroffenen erhielten Adrenalin. Nur jedes zweite Kind (50,8 Prozent) wurde von den Eltern per Autoinjektor versorgt. Bei jedem dritten nicht sofort behandelten Kind holten Ärzte die Gabe später nach. Aus seinen Daten berechnete der Wissenschaftler eine jährliche, wie er schreibt „viel zu hohe“ Anaphylaxierate von 17,6 Prozent. Daraus leitet er zwei Forderungen ab: Eltern sollten besser über die Auslöser entsprechender Reaktionen informiert werden – und auch lernen, wie sie Adrenalin-Autoinjektoren bedienen müssen. Weder Arzt noch Apotheker hatten Erwachsene aus O'Keefes Kohorte ausreichend beraten.
Selbst wenn Laien beherzt zum Autoinjektor greifen, stellt sich nicht immer der erhoffte Erfolg ein. Deshalb hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin (BfArM) zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen angeordnet. Basis ist ein Durchführungsbeschluss der EU-Kommission. Experten haben folgende Formulierung für die Fachinformation entwickelt: „Bei einer fehlenden klinischen Verbesserung oder falls eine Verschlechterung eintritt, kann eine zweite Injektion mit einem zusätzlichen Adrenalin-Autoinjektor 5 bis 15 Minuten nach der ersten Injektion angewendet werden. Es wird empfohlen, dass den Patienten zwei Adrenalin-Autoinjektoren verschrieben werden, die sie zu jeder Zeit bei sich tragen sollten.“ Zulassungsinhaber müssen außerdem Schulungsmaterialien wie Übungsgeräte oder audiovisuelle Materialien bereitstellen. Sie wurden verpflichtet, eine Pharmakokinetik- und Pharmakodynamikstudie durchführen.