Durch Untersuchungen am Tiermodell gelang es Forschern, den grundlegenden Krankheitsmechanismus bei allergischem Asthma bronchiale zu verstehen: Das Problem ist ein zu trockenes Lungensekret. Ein neuer Wirkstoff soll nun helfen, den Mukus zu befeuchten.
Werden allergieauslösende Stoffe wie Partikel von Hausstaubmilben oder Schimmelpilzsporen eingeatmet, kann das zur Entwicklung eines allergischen Asthma bronchiale führen. Vor allem dann, wenn die Selbstreinigungsfunktion der Atemwege durch zu trockenes Sekret beeinträchtigt ist. Diesen Zusammenhang haben Wissenschaftler des Zentrums für Translationale Lungenforschung Heidelberg jetzt im Tiermodell nachgewiesen. Sie entdeckten außerdem, dass die allergische Reaktion in den Atemwegen nicht, wie bisher angenommen, von fehlregulierten Immunzellen, sondern in erster Linie von den Zellen der Atemwegsschleimhaut selbst ausgelöst wird.
Das Team um Professor Marcus Mall entwickelte eine neue Behandlungsstrategie: eine Inhalationstherapie mit einem Wirkstoff, der dafür sorgt, dass das Lungensekret besser befeuchtet wird. Dadurch konnte die allergische Atemwegsentzündung im Tierversuch deutlich reduziert werden. Asthma zählt zu den häufigsten chronischen Erkrankungen in Deutschland. Rund zehn Prozent aller Kinder und fünf Prozent der Erwachsenen sind betroffen. Als Reaktion auf allergieauslösende Stoffe in der Atemluft verengen sich die Bronchien. Die Schleimhäute der Atemwege schwellen an und sondern verstärkt Sekret ab, es entsteht eine chronische Entzündung. Wie es genau zu dieser überschießenden, auf die Lunge beschränkten Immunantwort kommt, war bisher noch unklar.
Die Wissenschaftler versuchten herauszufinden, welche Rolle die Befeuchtung des Atemwegsekrets konkret bei der Entstehung von Asthma spielt. Untersuchungen an Mäusen, deren Bronchien aufgrund eines genetischen Defekts mit eher trockenem Schleim ausgekleidet sind, ergaben: Atmen die Tiere Allergene von Hausstaubmilben oder Schimmelpilzen ein, so entwickeln sie eine allergische Atemwegsentzündung, die um ein vielfaches stärker ist als bei Mäusen mit normal befeuchteten Atemwegen. „Sind die Atemwegsoberflächen zu gering befeuchtet und dadurch die Reinigungsfunktion der Lunge gestört, ist das anscheinend ein entscheidender Risikofaktor für die Entstehung des allergischen Asthma“, schlussfolgert Mall.
Denn ist das Sekret in den Atemwegen zu zäh, können es die Flimmerhärchen, die für die Reinigung der Atemwege zuständig sind, nicht mehr mitsamt der darin gebundenen Staubpartikel und Allergene aus der Lunge transportieren. Die Reizstoffe sammeln sich in den Atemwegen an und kommen in Kontakt mit der Atemwegsschleimhaut. Darauf reagiert diese empfindlich: Werden die Allergene nicht ordnungsgemäß aus der Lunge abtransportiert, schütteten die Zellen der Atemwegsschleimhaut Botenstoffe wie Interleukin-13 (IL-13) aus und aktivierten damit bestimmte Immunzellen (T-Helferzellen Typ2). Die Entzündung kommt in Gang. „Das ist eine neue Erkenntnis: Die allergische Entzündung in der Lunge geht nicht auf eine primäre Fehlfunktion der Immunzellen zurück. Diese reagieren vielmehr auf den Hilferuf der Schleimhautzellen. Solange die eingeatmeten Allergene effektiv aus der Lunge entfernt werden können, senden die Schleimhautzellen dieses Signal nicht aus. Dadurch fällt die Immunantwort trotz gleicher Belastung mit Allergenen deutlich geringer aus“, erklärt Mall.
Hat man die Befeuchtung des trockenen Schleims und damit der Abtransport der Allergene durch Inhalation mit dem Wirkstoff Amilorid verbessert, wurde in den Atemwegen nur noch wenig IL-13 freigesetzt. Die allergische Atemwegsentzündung reduzierte sich deutlich. Gängige Therapien lindern lediglich die Symptome: Sie lösen die verkrampfte Muskulatur der Bronchien und unterdrücken die Entzündung. Daher könnte diese neue Behandlungsstrategie einen wichtigen Fortschritt darstellen. Ob sie bei Patienten mit Asthma genauso effektiv ist wie im Tiermodell, muss jedoch erst noch in klinischen Studien untersucht werden. Originalpublikation: Impaired mucus clearance exacerbates allergen-induced type 2 airway inflammation in juvenile mice B. Fritzsching et al.; J Allergy Clin Immunol., doi: 10.1016/j.jaci.2016.09.045; 2016