Bei der Diagnose einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung fällt die Differenzierung zwischen Morbus Chron und Colitis ulcerosa nicht immer leicht. Nun gibt es einen optischen Sensor, der CED identifizieren und zwischen den beiden Krankheiten unterscheiden kann.
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen kommen in zwei verschiedenen Subtypen vor: Colitis ulcerosa und Morbus Crohn. Während sich die Colitis ulcerosa nahezu immer auf den Darm beschränkt, kann Morbus Crohn jeden Teil des Verdauungstraktes vom Mund bis zum Rektum befallen. Beide Erkrankungen können ähnliche Symptome hervorrufen. Dazu gehören unter anderem schwere Durchfälle, Schmerzen, Erschöpfung und Gewichtsverlust. Dennoch schlagen die beiden Darmerkrankungen unterschiedlich auf verschiedene Behandlungsmethoden wie Medikamente, bestimmte Diäten oder operative Maßnahmen an. So kann beispielsweise eine Kolektomie Patienten mit Colitis ulcerosa praktisch heilen, während sie bei Patienten mit Morbus Crohn oft unnütz ist.
„Aktuell angewandte Diagnose- und Therapieverfahren für chronisch entzündliche Darmerkrankungen sind schwammig und basieren auf Ausprobieren“, schreiben Wissenschaftler der Optical Society in Washington, USA. Im Moment müssen sich Ärzte auf unklare klinische, radiologische, endoskopische und pathologische Parameter stützen, um zwischen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa unterscheiden zu können. In etwa 15 Prozent der Fälle lautet die Diagnose „unklare Colitis“, weil Morbus Crohn und Colitis ulcerosa nicht zweifelsfrei zu diagnostizieren sind. Bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind verschiedene Teile des Verdauungstraktes betroffen. Credit: CC-BY-SA-3.0
In einer aktuellen Studie stellen die Wissenschaftler ein spezielles Endoskop vor, das mithilfe der chemischen Fingerprinting Technik „Raman“ molekulare Marker einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung im Darm aufspüren kann. Der Sensor könnte sowohl die personalisierte Diagnose, als auch die bedarfsorientierte Therapie von Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung wesentlich verbessern. „Bei bisherigen Methoden bestätigt sich die Verdachtsdiagnose erst mit der Reaktion des Patienten auf die Therapie. Das kann sich über mehrere Jahre hinziehen“, so Studienleiterin Anita Mahadevan-Jansen von der Vanderbilt University, USA. Als Betroffene hat sie das Projekt ins Leben gerufen. Um die oft lange Zeit der Ungewissheit für Patienten und Ärzte zu verkürzen, haben die Forscher eine licht-basierte Methode entwickelt, mit der sich das Innere des Darms auf entzündliche Veränderungen hin untersuchen lässt.
Frühere Forschungsarbeiten an Gewebeproben von Patienten mit Colitis ulcerosa und Morbus Crohn hatten gezeigt, dass beide Erkrankungen unterschiedliche molekulare Signaturen aufweisen. Die neu entwickelte Sonde erkennt diese Signaturen und kann daraus nicht nur die Art der Erkrankung ablesen, sondern auch Informationen zum Grad der Entzündung liefern. „Im Idealfall nutzen Ärzte die Sonde zunächst bei einer Vorsorge-Koloskopie, wobei das Grundsignal des Patienten gespeichert wird. Stellt sich der Patient später mit Symptomen einer entzündlichen Darmerkrankung erneut vor, kann die Sonde schnell unterscheiden, ob es sich um Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa handelt“, so Mahadevan-Jansen. Doch auch während einer Vorsorge-Koloskopie soll die Sonde frühe Indikatoren einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung erkennen, die auftreten, bevor Veränderungen im Darmgewebe sichtbar werden. „Während der Behandlung eines Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung erleichtert die Sonde die Überwachung des Behandlungserfolgs, da sich schwache, mittlere und ausgeprägte Entzündungszustände quantifizieren lassen“, so Anita Mahadevan-Jansen.
In ihrer Pilotstudie passten die Forscher um Mahadevan-Jansen die Sonde zunächst so an, dass sie durch die Windungen des Darms geschoben werden kann und zudem die richtige Wellenlänge ausstrahlt, um das Darmgewebe zu erfassen. Dann testeten die Wissenschaftler die Sonde an 15 Patienten mit Morbus Crohn, acht Patienten mit Colitis ulcerosa und an acht gesunden Probanden. Mit der Empfindlichkeit der neuen Methode, also der Erkennung einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung, waren die Wissenschaftler bereits bei ihrem Pilotversuch zufrieden: „Wenn wir beispielsweise den rechten Dickdarm von Morbus Crohn Patienten mit einer aktiven Entzündung gemessen haben, lag die Empfindlichkeit der Methode bei 90 Prozent. Die Spezifität, also die Fähigkeit zwischen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zu unterscheiden, bei 75 Prozent“, schreiben die Wissenschaftler. In anderen Darmabschnitten und Krankheitsstadien nahmen die Werte allerdings ab.
Gründe dafür vermuten die Forscher in der unterschiedlichen Schleimhautmorphologie und Dicke der Darmwand, der individuell verschiedenen Verteilung von Blutgefäßen, der Nähe zum Mesenterium, verschiedene Drüseninhalte und der Verteilung von Darmmikroben. Die Komplexität dieser in vivo Parameter beeinflussen sowohl biomolekulare, als auch morphologische Veränderungen im Gewebe und müssen in weiteren Studien besonders berücksichtigt werden. Auch Faktoren wie Geschlecht, Alter, BMI, Ernährungsweise und vorangegangene Behandlungen fanden in dieser Pilotstudie noch keine Berücksichtigung, sind aber wichtige Aspekte bei der Beurteilung der Darmschleimhaut. Der Sensor detektiert molekulare Marker einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung © Vanderbilt University Aktuell lassen die Wissenschaftler diese Parameter mit Hilfe von Daten einer großen Patientenkohorte in ihre Algorithmen mit einfließen. Am Ende sollen die Grunddaten eines Patienten zusammen mit den Daten der „Raman-Sonde“ eindeutige Diagnose-Daten liefern. Für Mahadevan-Jansen ist ihr Ansatz eine ganz neue Art der personalisierten Medizin. „Wir berücksichtigen dabei sämtliche Faktoren, die einen Patienten einzigartig machen.“ Damit könnte sie durchaus recht haben, wenn es den Wissenschaftlern gelingt, ihre Algorithmen zu individualisieren und damit die Spezifität der Messmethode zu verbessern. Denn der Bedarf wäre da: Etwa 2 Millionen Europäer und 1 Million US-Amerikaner leiden unter einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung. In Mitteleuropa wird die Prävalenz des Morbus Crohn auf etwa 120 bis 200 pro 100.000 Einwohner geschätzt, bei Colitis ulcerosa auf 160 bis 250 pro 100.000 Einwohner. Beide Erkrankungen beeinflussen die Lebensqualität der Betroffenen oft massiv. Originalpublikation: Clinical characterization of in vivo inflammatory bowel disease with Raman spectroscopy Isaac J. Pence et al.; Biomedical Optics Express, doi: 10.1364/BOE.8.000524